Mirad 02 - Der König im König
ununterbrochen auf Erkundungsflug. Dabei entdeckte sie zwar nicht Kaguan, dafür aber eine Vorliebe für das Federkleid von Schneeeulen. Über den weißen Berghängen und vor dem meist wolkenverhangenen Himmel war sie damit fast ebenso unsichtbar wie ein Chamäleone.
Ihr Auftrag bestand nicht allein im Aufspüren des Zoforoths. Im Gebirge von Harim-zedojim trieben sich noch andere boshafte Geschöpfe herum, die ihrem Herrn in den Eisigen Höhen nur allzu gerne einen Dienst erwiesen und die Gemeinschaft des Lichts vernichtet hätten: die Waggs.
Viermal hatte die Elvin Späher der Ungeraden ausgemacht, was Falgon überhaupt nicht gefiel. Es war ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel. Jedes Mal mussten die Gefährten einen Umweg in Kauf nehmen, weil sie einen Hinterhalt fürchteten. Zum Glück hatten sie die Ginkgonadel. Sie wies ihnen immer wieder zuverlässig die Richtung zum Schwert.
Manchmal mussten sie sich zudem gegen einen äußerst lebendigen, ja sogar feindseligen Schnee zur Wehr setzen. Dann wussten sie, dass Kaguan wieder die Elemente gegen sie ins Feld führte. Hin und wieder hörten sie sogar das ferne Echo deines unharmonischen Gesangs, doch sehen ließ er sich nie.
Sobald es sehr kühl wurde, musste Dormund den Schmerz- Kompass anwärmen, bevor er ihn benutzen konnte – das Nardenöl härtete in der Kälte schnell aus. Dadurch verlor die Gemeinschaft des Lichts immer wieder kostbare Zeit. Erst wenn sich das Öl wieder verflüssigt hatte, richtete sich die kristallene Nadel willig nach dem Schwert Schmerz aus. Am zwölften Tag nach dem Landfall tauchte plötzlich der Kitora vor ihnen auf.
Sie hatten zuvor ein schmales Tal durchquert, wodurch ihre Sicht nach Norden lange durch andere Gipfel verstellt geblieben war. Umso überraschender schob sich dann der Kegel des riesigen Vulkans in ihr Blickfeld. Die Hänge des himmelhohen Berges waren größtenteils schwarz, vermutlich von erstarrten Lavaströmen. Erst im oberen Viertel war ein schmaler Waldgürtel zu sehen. Darüber hüllte sich der Gigant in das Weiß von Schneefahnen und Wolkenschleiern.
»Der Herr in den Eisigen Höhen«, murmelte Ergil. Seine Hand lag über dem Fläschchen, in dem sich das Wasser von Silmao befand, sein Blick dagegen auf dem sturmumpeitschten Gipfel. Durch Nisrah und später durch Murugan hatte er diesen Titel des dunklen Gottes kennen gelernt und ihn fälschlicherweise Wikander zugeschrieben. Jetzt erst glaubte er richtig zu verstehen, warum Magos sich so nennen ließ. Und mit dieser Erkenntnis stellte sich bei Ergil eine Erinnerung ein. Im Geiste sah er noch einmal die Leiter aus seinem Traum, die bis in die Wolken hinaufgereicht hatte. Auch dabei musste es sich um eine Vision gehandelt haben. Hier und jetzt begann er zu ahnen, welche Bürde ihm durch dieses Bild auferlegt worden war.
»Magos Feste.« Diesmal hatte Múria gesprochen, die ihr Krodibo neben Schneewolke zum Stehen gebracht hatte.
Ergil riss sich vom Anblick des schneeumtosten Gipfels los, musterte ihr schönes, in diesem Moment aber maskenhaftes Gesicht und fragte sich, ob sie gerade an Jazzar-fajim dachte, dem einst ihr Herz gehört hatte.
Sie deutete zur westlichen Flanke des Vulkans. »Jazzar-fajim hatte mir erzählt, dass dort unten ein Pfad beginnt. Da Kaguan das Schwert Schmerz an seinen Herrn übergeben will, muss er dort vorbeikommen.«
»Was lässt dich da so sicher sein?«
»Es soll der einzige Weg hinauf zu Magos’ Feste sein. Er beginnt unten in einer Klamm, die so schmal ist, dass ein Mann den Berg gegen eine ganze Armee verteidigen könnte. Das Gelände in weitem Umkreis ist stark zerfurcht und die Flanken des Kitoras so steil und spröde, dass abgesehen von der erwähnten Route jede andere in den sicheren Tod führen würde. Es heißt, der Berg sei früher ein sehr lebhafter Vulkan gewesen, der ständig Feuer und Asche vom Himmel regnen ließ.«
»Würde mich nicht wundern, wenn Magos auf diese Weise seine Feste gegen ungebetene Besucher abgesichert hat.«
Sie nickte. »Wie dem auch sei. Wir sollten keine Zeit verlieren. Vielleicht können wir Kaguan doch noch vor dem Aufstieg zum Gipfel abpassen.«
Im Geweih von Ergils Krodibo saß eine kleine, bis zu diesem Moment schweigsame Schneeeule, die sich nun zu Wort meldete. »Er hat sich bis jetzt zwar unsichtbar machen können, aber ich steige trotzdem noch einmal auf und werde nach ihm Ausschau halten.«
Der König schenkte der Elvin ein Lächeln. »Wenn wir dich nicht hätten, Kira. Sei
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