Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
pflegte, blieb auch davon ungerührt.
    Jetzt erst öffnete Múria die Augen und staunte. »Wolltest du uns nicht im Gebirge absetzen? Was ist geschehen?«
    Ergil brachte ein beschämtes Lächeln zustande. »Twikus und ich waren uns uneinig über… Na, jedenfalls musste ich mir in aller Kürze etwas anderes einfallen lassen. Ich hab’s wie damals gemacht, als wir durch Wikanders Labyrinth marschiert sind.«
    Für diese Bemerkung erntete er nicht nur von Múria verständnislose Blicke.
    »Ich habe den Raum, der unser Schiff umgibt, in der Zeit zurückversetzt. In der Eile konnte ich es aber nur um wenige Augenblicke von der Sturzflut wegrücken. Wir fahren also sozusagen in einer Vergangenheitsblase.«
    Seine Erklärung trug bei den Umstehenden sehr zur Steigerung der Verwirrung bei. Jetzt verstanden sie noch weniger. Mit Ausnahme von Múria.
    »Du kannst nicht zufällig abschätzen, um wie viele Augenblicke du das Schiff…?«
    Ihre Frage ging in einem donnernden Tosen unter, weil hinter der Silberginkgo ein gigantischer Scherenschnitt aus Wasser niederbrauste, der – von oben betrachtet – exakt die Umrisse des Seglers hatte.
    »Ungefähr so viele Augenblicke«, erklärte Ergil geistesabwesend. Seine Linke nahm wieder das Spiel mit der Phiole auf.
    In der auf diese Weise gemessenen Zeit hatte das Schiff glücklicherweise eine Entfernung von etwa zwei Bogenschuss zurückgelegt. An Deck zirkulierte verhaltenes Aufatmen. Nach drei Angriffen traute man der Ruhe nicht mehr. Aus gutem Grund. Ehe nämlich die sich von Norden nähernde Kometenschlange der Silberginkgo gefährlich werden konnte, formte Kaguan aus dem vierten Element eine neue Waffe gegen die Gemeinschaft des Lichts.
    Wieder zog er einen Kreis aus Wasser, um seinen Feind endgültig zu vernichten. Diesmal handelte es sich um einen gigantischen Zylinder, gewissermaßen die Wände des nach oben gestülpten Loches, dem man eben erst entkommen war. Die Gischt donnerte wie bei einem Wasserfall aus großer Höhe hernieder. Woher sie sich speiste, war ein Rätsel. In den Dimensionen blieb sich der Meister der Elemente treu: der Innendurchmesser des tosenden Kreises betrug etwa eine Meile. Allerdings nicht sehr lange, denn der freie Raum zwischen den brausenden Wassermauern schrumpfte.
    »Jetzt stecken wir in der Klemme! Dieser verfluchte Schraubstock zieht sich zusammen und wird uns wie eine Nuss zerknacken«, kommentierte Popi das Geschehen.
    Ergil fing Múrias Blick auf.
    »Jetzt aber nichts wie weg hier!«, sagte sie.
    Er nickte und sie schlossen wieder die Augen, um sich zu konzentrieren.
    Erneut wechselten sie in die grüne Zwischenwelt, in der Zeit und Raum des ganzen Faltenwurfs der Welt verbunden waren. Während sich die Riesenfaust aus tobendem Wasser anschickte, das Schiff mit Mann und Maus zu zerquetschen, sauste Ergil über das Meer der Unendlichkeit hinweg und erreichte die Felsenküste.
    In seinen Ohren nahm das Brausen der näher rückenden Wasserwände rasch zu.
    Von Kaguan fehlte jede Spur. Ergil flog im Geiste an der Korallenklippe empor. Auch dahinter sah er nur schroffe Felsen. Die Harim-zedojim waren offenbar ein wildes, ziemlich unwegsames Gebirge. Er spürte Gischtschleier über sein Gesicht wehen und hörte wie aus weiter Ferne Falgons Stimme.
    »Beeilt euch, sonst werden wir zermalmt!«
    Hauptsache, in Sicherheit, dachte Ergil und floh samt dem Schiff dorthin, wo sich sein suchender Sinn bereits befand.
    Als die Kometenschlange Kingha mit geöffnetem Rachen wie ein Pfeil aus der Tiefe emporschoss, um sich das weiße Schiff einzuverleiben, schnappte sie ins Leere. Überrascht gewahrte sie um sich herum einen sich rasch enger ziehenden Schlauch aus wütender Gischt. Normalerweise hätte ein Seeungetüm wie Kingha darüber nur lachen können, aber dieser Mahlstrom speiste seine mörderische Gewalt aus Kaguans Rachgier und Magos’ Macht. Just in dem Augenblick, als Kinghas acht Schwänze aus dem Meer aufgetaucht waren, wurde sie mit tödlicher Wucht von den tobenden Wassermassen getroffen.

 
    25
     
    DIE HIMMELSLEITER
     
     
     
    Wie ein gestrandeter Wal hing die Silberginkgo zwischen den Klippen fest. Sie konnte weder vor noch zurück. Ab und zu schlug ihre Kielflosse lahm gegen den Fels. Obwohl Kapitän Smidgard und seine Mannschaft bereits Zeugen der Beschaffung des Sirilimschiffes gewesen waren, zeigten sie sich von dem Sprung durch die Falten Mirads auch diesmal beeindruckt. Der alte Seebär stand wie versteinert vor Ergil und starrte

Weitere Kostenlose Bücher