Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
übereingekommen, sich nicht in eine Falle locken zu lassen, indem sie ihr Nachtlager mitten in der Klamm aufschlugen, wo sie von zwei Seiten aus in die Mangel genommen werden konnten. Daher durchquerten sie das etwa eine halbe Meile lange enge Tal und suchten sich an seinem Ausgang ein Versteck in einem höhlenartigen Spalt, der vom Gipfel aus nicht eingesehen werden konnte.
    Dormund wärmte den Kompass an und alle beäugten die Ginkgonadel. Sie zitterte aufgeregt hin und her.
    Popi zog eine Grimasse. »Was hat das nun wieder zu bedeuten?«
    »Der Zoforoth muss ganz nahe sein. Vielleicht klebt er irgendwo über uns an den Felswänden.«
    Falgon hielt beharrlich an seiner Lieblingstheorie fest. »Oder es gibt einen unterirdischen Weg.«
    »Möglicherweise funktioniert der Schmerz-Kompass auch an diesem Ort nicht mehr. Magos’ Gegenwart könnte die Nadel stören«, gab Múria zu bedenken.
    »Wäre das so schlimm? Von jetzt an geht’s doch sowieso immer bergauf.« Der Einwand kam von Ergil.
    Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Der Weg zum Gipfel ist keine Prozessionsstraße mit Laternen und Wegweisern, mein Lieber. Es könnte sein, dass er ohne die Ginkgonadel gar nicht zu finden ist.«
    »Wir sollten in dieser Nacht doppelte Wachen aufstellen«, schlug Falgon vor.
    Tiko war ganz versessen darauf, den Anfang zu machen. Während er und Schekira draußen nach dem Zoforoth und sonstigen Gefahren Ausschau hielten, führten die Übrigen in der Höhle ein angeregtes Gespräch darüber, wie man am Ende der Nacht weiter vorgehen solle. Es gab verschiedene Möglichkeiten, von denen die meisten aber von vornherein als unbrauchbar verworfen wurden. Was für einen Sinn hätte es schon, Magos zu belagern? Oder wie groß wären die Erfolgsaussichten, wenn man den Versuch unternähme, seine Festung im Sturm zu erobern? Im Laufe der zunehmend hitziger werdenden Debatte kristallisierten sich zwei Hauptpositionen heraus.
    Die eine wurde von Múria mit versteinerter Miene vorgetragen. Sie selbst werde gehen und Magos herausfordern, auch wenn es sie das Leben kostete. Die Begeisterung der anderen für diesen Vorschlag hielt sich in Grenzen. Falgon versprach ihr, sie zu fesseln und zu knebeln, wenn sie nur versuche, ihre Absicht in die Tat umzusetzen.
    Ergil und der inzwischen erwachte Twikus setzten sich für die, wie sie es nannten, »letzte Wahl« ein, die sich von Múrias Plan nur geringfügig unterschied: Sie – die Zwillinge – würden zum Gipfel hinaufsteigen, Magos das Schwert entreißen und ihn für alle Ewigkeit von der Oberfläche Mirads vertreiben. Wenn sie Kaguan begegneten und es sich einrichten ließ, wollten sie Tiko noch einen Herzenswunsch erfüllen. Auch das Ansinnen der Könige fand nur ein verhaltenes Echo.
    Bis tief in die Nacht prallten Argumente auf Gegenargumente und Meinungen auf Befürchtungen. Falgon und Dormund vertraten beharrlich das gemeinschaftliche Konzept (»Wir sind zusammen hierher gekommen, jetzt kämpfen wir auch gemeinsam«), Múria und die Könige plädierten für den schon geschilderten Einzelgängerplan, Popi machte ein unglückliches Gesicht und Tiko übernahm mit Schekira auch noch die zweite Wache.
    Kurz nach Mitternacht wurde die Entscheidung auf den Morgen vertagt. Falgon und Popi lösten ihre Gefährten in der Klamm ab. Die Übrigen wickelten sich in ihre Decken.
    Ergil stand mit nackten Füßen im Schnee. Vor ihm ragte eine gigantische Leiter auf. Sie war aus Holz und reichte bis in den Himmel. Wo sie aufhörte, konnte er nicht sehen, weil sie hoch oben in den Wolken verschwand.
    Er begann an ihr emporzusteigen, Sprosse für Sprosse, höher und höher, doch sie wollte einfach kein Ende nehmen. Lange kletterte er durch die Wolken, sah nichts mehr, hörte auch nichts mehr, alles um ihn herum war ein graues Einerlei. Zunehmend zehrte der Aufstieg an seinen Kräften. Arme und Beine wurden bleischwer, die Fußsohlen von den rauen Sprossen ganz wund.
    Irgendwann dämmerte ihm, dass es kein Zurück mehr gab. Ein wenig Ruhe würde ihm neue Kraft geben, dachte er und streckte den rechten Arm zwischen zwei Sprossen hindurch, um sich an der Achselhöhle einzuhaken; mit einem Bein versuchte er Ähnliches zu tun. Bald stellte er die Verrenkungen wieder ein, weil keine Haltung sicher genug war, um während des Schlafs nicht in die Tiefe zu stürzen.
    Ohne sich dagegen wehren zu können, machte sich in ihm Verzweiflung breit. Was wie ein aufregendes Abenteuer begonnen hatte, war zu einem

Weitere Kostenlose Bücher