Mirad 02 - Der König im König
bitte vorsichtig.«
»Keine Sorge, mein Retter. Nicht nur Chamäleonen verstehen etwas von Tarnung.« Sprach’s und war auch schon davongeflattert.
Ergil wollte sein Krodibo antreiben, um ihr zu folgen, aber Múria hielt ihn zurück.
»Warte!«
Er sah sie fragend an.
Sie langte mit der Hand in ihren Fellmantel und förderte ein kleines, rötliches, verkorktes und mit Wachs versiegeltes Tongefäß zutage. Während sie es ihm hinstreckte, erklärte sie: »In den nächsten Stunden und Tagen müssen wir uns vielleicht mehr abverlangen als auf der ganzen bisherigen Reise. Steck das ein. Es könnte dir helfen.«
Er nahm das Töpfchen entgegen, hob es – nur mit Daumen und Zeigefinger haltend – vor sein Gesicht und betrachtete es argwöhnisch. »Wieder eines von deinen Wundermitteln, Inimai?«
Múria lächelte. »Du kennst es bereits, mein Lieber. Bevor wir durch die Klippe in die Sooderburg hinaufgestiegen sind, hast du es eingenommen. Wenn du diesen Topf mit Wasser auffüllst, ihn erhitzt und den Inhalt in einem Zug austrinkst, dann wirst du ungeahnte Kräfte in dir spüren.«
»Oder tot umfallen.«
»Wie schön, dass du dir meine Lektionen so gut einprägst. Natürlich darfst du es keinesfalls übertreiben. Dann wird dir auch nichts passieren. Darum geht es mir letzten Endes: Dir und deinem Bruder darf nichts geschehen.«
Ergil glaubte ein Zittern in Múrias Stimme wahrzunehmen. Sie ahnte wohl auch, dass die größte Prüfung ihrer langen Reise noch vor ihnen lag. »Danke«, sagte er leise und seine Hand schloss sich um das Töpfchen.
Die sechsköpfige Gruppe folgte der verkleideten Elvenprinzessin, so schnell es die Tiere erlaubten. Ein jedes trug neben seinem Reiter noch Proviant, warme Decken, Waffen und etliches andere Gepäck durch die zerklüftete Landschaft. Abgesehen von Tiko, der auf einem ebenso temperament- wie prachtvollen Schimmel aus dem berühmten Silmao-Gestüt saß (ein Geschenk des Mazars), ritten alle ihre Krodibos, die sich im Gebirge fast ebenso sicher bewegten wie im Wald oder in der Steppe. Nach einigen Meilen kehrte Schekira zu den Gefährten zurück und erstattete Bericht.
»Vom Zoforoth ist weder etwas zu hören noch zu sehen. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.«
Momentan ritt gerade Falgon an Ergils Seite und bemerkte: »Wenn ihn jemand an der Korallenklippe abgeholt und ihn mit einem schnellen Reittier versorgt hat, warum sollte er ihn nicht auch auf geheimen Pfaden zum Kitora leiten? Immerhin reiten wir hier durch Waggland und das Grondvolk hat überall seine Höhlen und Tunnel.«
Hinter seinem Rücken erscholl ein gereiztes Lachen und gleich danach Dormunds kräftige Stimme. »Wenn noch einer die Ungeraden erwähnt, dann bekomme ich die Krätze. Sagen wir doch einfach, Kaguan ist in diesen Bergen zu Hause; deshalb haben wir ihn bisher auch nicht einholen können. Das klingt weniger beängstigend.«
»Furcht ist ein gutes Mittel gegen Übermüdung und Unaufmerksamkeit, alter Freund.« Falgon wandte sich wieder der Schneeeule zu. »Ist dir sonst irgendetwas verdächtig vorgekommen, Schekira?«
»Ja.«
Alle horchten auf.
»Was hast du gesehen? Etwa neue Waggs?«, sprudelte Ergil hervor.
»Nichts«, antwortete sie. »Gar nichts. Jedenfalls kein Lebewesen. Nicht nur, dass Kaguan schweigt, es gibt auch sonst fast keine Geräusche am Berg, außer denen des Windes und einiger Gebirgsbäche. Die Ruhe gefällt mir nicht.«
»Jetzt hörst du dich schon fast wie der Oheim an.«
Falgon schnaubte. »Glaub ja nicht, du könntest dir mir gegenüber Frechheiten herausnehmen, nur weil du König bist, junger Mann. Die Prinzessin ist in der freien Natur zu Hause. Wir sollten ihr Unbehagen ernst nehmen und doppelt wachsam sein.«
Die Dämmerung war schon fortgeschritten, als die Gemeinschaft des Lichts die Klamm am Fuße des Kitoras erreichte. Aus der Nähe glich der Vulkan einer Krone, die sich über eine kegelförmige Kappe stülpte. Die Zacken ringsum bestanden aus spitzen Felsen – manche waren an die fünfhundert Fuß hoch – und tiefen Schrunden, eine unüberwindliche Barriere für jeden, der sich dem dunklen Gott in den eisigen Höhen heimlich nähern wollte.
Der von Múria erwähnte Zugang zum Berg war in diesem schroffen Auf und Ab so gut versteckt, dass die Gefährten ihn nur mit Schekiras Hilfe fanden. Es handelte sich um einen engen Einschnitt, der sich in Schlangenlinien durch die gestaffelt aufragenden Felszacken wand.
Nach kurzer Beratung waren die Reiter
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