Mirad 02 - Der König im König
böse…?«
»Nein«, unterbrach der König den Knappen. »Es war richtig von dir, mich zu wecken.«
»Dann gehst du jetzt am besten zu den beiden und sagst ihnen, dass sie nichts ohne dich unternehmen sollen.«
»Meinst du, das würde etwas ändern? Du hast doch erlebt, wie wir uns heute Nacht schon die Köpfe heiß geredet haben. Nein, Popi, ich muss ihnen zuvorkommen.«
»Du…?«
Ergil legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Du bist mein Schildknappe, Popi. Wenn du möchtest, kannst du mich auf der Himmelsleiter ein Stück begleiten.«
26
DIE KITORAKLAMM
Als Múria die Höhle aufsuchte, um ihre Ausrüstung für den Aufstieg zum Gipfel zu vervollständigen, trieben dunkle Ahnungen sie um. Der Schildknappe hatte sich, nachdem er in Richtung Lager verschwunden war, nicht wieder sehen lassen. Vielleicht war der Hasenfuß nur bei den anderen untergekrochen, weil er sich allein in der Dunkelheit fürchtete, versuchte sie sich selbst zu beruhigen – ohne allzu großen Erfolg. Beim Absuchen des ziemlich übersichtlichen Versteckes erlitt sie einen Schock.
Die Zwillinge waren verschwunden.
»Und Popi, dieser kleine Strolch, ist ebenfalls weg«, zischte sie. Hiernach schlug die Herrin der Seeigelwarte Alarm.
Der Schmied befreite sich umständlich aus der Umklammerung des Schlafs und Falgon kam in die Höhle gelaufen. Aus der Dunkelheit flatterte eine weiße Eule herbei und verwandelte sich auf Múrias Schulter in die Elvin.
»Schlechte Nachrichten…«, begann sie, wurde aber von Múria unterbrochen.
»Wir haben es selbst gerade entdeckt.«
»Das ist unmöglich… Wovon sprichst du überhaupt?«
»Von Ergil, Twikus, Popi und Nisrah. Sag bloß, du hast nichts bemerkt? Wir vermissen sie.«
»O weh! Nein. Ich war auf Patrouille südlich von hier und…«
»Dann musst du sofort wieder losfliegen und am Berg nach ihnen suchen.«
Schekira stemmte ihre kleinen Fäuste in die Seiten. »Würdest du mich bitte auch einmal ausreden lassen, große Schwester?«
»Entschuldige. Was wolltest du sagen?«
»Unterhalb des Eingangs zur Klamm braut sich etwas zusammen. Ich habe umherhuschende Schatten gesehen. Mindestens zwei Dutzend.«
»Waggs?«, fragte der Waffenmeister.
»Ich fürchte ja, alter Freund.«
Falgon ließ vernehmlich die Luft durch die Nase strömen. »Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir ganz und gar nicht.«
Falgon, Dormund, Tiko und Múria hatten sich in Nischen und hinter Felsvorsprüngen am Eingang der Klamm verschanzt. Zu ihrem Schutz trugen die Männer Helme, Kettenhemden, Rundschilde, Brustpanzer und Beinschienen. Außerdem waren sie bis an die Zähne bewaffnet. In weiser Voraussicht hatte sich Falgon noch am Tag der Abreise aus Silmao an General Koichi gewandt und ihn um Rüstungen, Speere, Schwerter, Pfeile und Bogen gebeten. Als der Mazar davon erfuhr, ließ er in einem Anfall von Freigebigkeit die Silberginkgo mit so viel Ausrüstung beladen, dass man damit einen mittleren Krieg hätte führen können. Beim Aufbruch von der Korallenklippe hatte der Waffenmeister von Soodland jedem Reiter aber nur ein auf das Nötigste beschränktes und für die Tiere tragbares Sortiment aus dem umfangreichen Bestand zugeteilt.
Sogar die Geschichtsschreiberin trug jetzt ein Susanschwert, ein persönliches Geschenk von Oramas III. das ursprünglich aus der Schmiede der Bartarin stammte. Die sanft geschwungene, einschneidige Klinge war in der Tradition der Sirilimschwerter hergestellt worden. Múria hatte von Jazzar-fajim zwar den Umgang mit diesen Waffen erlernt, sich darin aber seit mindestens einem Menschenalter nicht mehr geübt.
Falgon wusste dies. Deshalb hatte er die Frau, der seine Liebe gehörte, am weitesten hinten in der Schlucht platziert. Zwischen ihm und ihr lag ein Abstand von etwa fünfzig Schritten.
Dort stand sie jetzt, starrte in die Dunkelheit. Oh, wie sie geschäumt hatte, nachdem die Zwillinge mit dem Knappen ohne ein Wort verschwunden waren! Sie fragte sich, ob der Rest der zerrissenen Gemeinschaft des Lichts für das Bevorstehende ausreichend gerüstet war. Als Falgon erwähnt hatte, dass die Waggs als typische Höhlenbewohner den Nahkampf bevorzugten und daher mit Bogenschützen kaum zu rechnen sei, hatte sie fast die Beherrschung verloren.
Jetzt, wo sie allein gegen ihre Befürchtungen und aufgewühlten Gefühle ankämpfte, bröckelte die Fassade des Selbstbetrugs. Hier fiel ein Stück ab und darunter trat die Sorge einer Mutter zutage, die
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