Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
nie eigene Söhne gehabt hatte. Dort riss der Putz auf und aus dem Spalt quoll die ewige Angst vor dem neuerlichen Verlust geliebter Menschen. An anderer Stelle wurde sogar ein wenig verletzter Stolz sichtbar, weil ihre Schüler sie überflügelt und jetzt an ihrer statt den entscheidenden Kampf gegen Magos aufgenommen hatten. Aber hatte es nicht so kommen müssen? Waren die Zwillinge nicht von Anfang an die Einzigen gewesen, die sich dieser Herausforderung stellen konnten, ohne von vornherein zum Scheitern verurteilt zu sein?
    »Wir müssen ihnen den Rücken stärken«, sagte sie entschlossen.
    Tiko, der ein paar Schritte vor ihr in einem Spalt versteckt war, drehte sich zu ihr um und weil er sie nicht sehen konnte, flüsterte er: »Alles in Ordnung, Herrin?«
    »Ich habe nur laut nachgedacht«, antwortete sie leise. Es wusste ohnehin jeder Bescheid, was zu tun war. Die Waggs durften um keinen Preis durchbrechen, um die Verfolgung der Zwillinge aufzunehmen.
    Ein leise trällernder Pfiff ertönte, nicht von einem Vogel, sondern Falgons Zeichen für die gestaffelt hinter ihm stehenden Gefährten. Der Waffenmeister und die beiden Schmiede hielten ihre Brandpfeile dicht über die Gluttöpfchen.
    Unvermittelt hörte Múria ein Rauschen, glaubte schon, Falgons Äußerung über die fehlenden Bogenschützen der Waggs entpuppe sich gerade als Irrtum, aber es war nur ein kleines Käuzchen und kein Pfeil.
    Schekira landete auf ihrer Schulter und flüsterte: »Es geht los, große Schwester!«
    »Wie viele?«, fragte Múria.
    »Ungefähr vierzig. Bis jetzt. Die Waggs kommen überall aus dem Boden. Deshalb kann ich nicht abschätzen, wie viele es noch werden.«
    »Weiß Falgon Bescheid?«
    »Ja.«
    »Danke, kleine Schwester. Gib Nachricht, sobald sich an der Lage etwas ändert.«
    Die kleine Eule erhob sich in die Lüfte und als Múria ihr nachsah, bemerkte sie einen breiten Riss in den Wolken über dem Kitora. Darin kamen unzählige funkelnde Diamanten zum Vorschein. Die Herrin der Seeigelwarte wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Spalt zu, hinter dem sich ein mit Felsen übersäter Platz am Eingang der Klamm befand. Obwohl in dieser Neumondnacht nur die Sterne ihr Licht über dem Vulkan ausstreuten, konnte sie in der Dunkelheit schwarze Schemen erkennen. Mit einem Mal zog ein bläulicher Feuerschweif durch die Finsternis.
    Falgon hatte den ersten Brandpfeil abgeschossen und damit den Kampf um die Kitoraklamm eröffnet.
    Der hölzerne Schaft des Pfeiles war von den Feuermeistern des Mazars mehrere Tage lang mit »Susanischem Feuer« getränkt worden. Dadurch waren sie nur durch ihren beißenden Geruch von normalen Pfeilen zu unterscheiden. Erst wenn man sie an der Glut entzündete, entfaltete die in den Holzfasern auskristallisierte Essenz ihre Wirkung. Es hieß, wenn ein Susanisches Feuer einmal brannte, konnte es selbst mit Wasser nicht gelöscht werden.
    Múria verfolgte die Flugbahn des Brandpfeils, eine sich rasch entfernende Wolke aus Licht, in der sich die schwarzen Schemen für einen Augenblick in deutlich erkennbare Waggs verwandelten. Immer nur für einen Moment sah sie große und kleine Gestalten, zwei- und vielbeinige – ebenso mehrarmige – sowie einfach- und doppelköpfige. Ein normal hässlicher Wicht, soll heißen, einer mit paarweisen Gliedmaßen und lediglich einem Kopf, wurde von dem Pfeil im Hals getroffen und brach zusammen.
    Während seine Kameraden ihn zu löschen versuchten, gaben sie recht passable Zielscheiben für Dormund und Tiko ab. Der ältere Schmied traf ins Leere, trug aber weiter zur Aufhellung des Schauplatzes bei – zufällig hatte er einen vertrockneten Busch in Brand geschossen. Tiko kam der Umstand zugute, dass in Susan schon kleine Jungen den Umgang mit Pfeil und Bogen erlernten. Er machte einen weiteren Wagg kampfunfähig.
    Allmählich breitete sich in den etwa fünfzig Köpfen der nicht mehr ganz vierzig Angreifer die Erkenntnis aus, dass ihnen der Vorteil der Dunkelheit abhanden gekommen war. Drei Fackeln – zwei davon mehr oder weniger lebend – tauchten die Felsen und kargen Sträucher vor der Klamm in ein flackerndes Licht. Zwei weitere flammende Gestalten kamen hinzu, bevor die gedrungenen Kämpfer mit ihren sperrigen Hieb- und Stichwaffen Deckung gefunden hatten.
    Trotz des Anfangserfolgs fand Múria am bisherigen Verlauf der Schlacht wenig Gefallen. Sicher, die Waggs waren Magos hörig. Sie kannten wohl keine andere Sprache als die der Gewalt, denn er hatte sie gleichsam zum

Weitere Kostenlose Bücher