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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Netzling, um darin den Gefährten einzuwickeln. Diese Maßnahme erwies sich als grandioser Einfall.
    Der König schlug die Augen auf.
    Popi erbebte sonnenblumengelb vor Glück. »Jetzt wird alles gut«, versicherte er seinem Freund. Weil dieser zwar den Mund öffnete, mit den Lippen das Wort »Popi« formte, aber außer einem Röcheln nichts hervorbrachte, flößte der Knappe ihm zunächst einen Schluck Wasser ein.
    »Was ist mit Magos und Kaguan?«, fragte er hierauf. Um die Antwort des Königs zu verstehen, musste er sein Ohr dicht über dessen Lippen halten.
    »Magos hat der Wind fortgeweht… hoffentlich für immer. Kaguan… ist weg.«
    »Weg? Heißt das, weg, wie man eine breit geschlagene Kakerlake wegputzt, oder weg wie weggelaufen?«
    Der König schloss die Augen. Offenbar strengte ihn das Sprechen enorm an. Nachdem er Kraft gesammelt hatte, blickte er wieder zu seinem Knappen auf und hauchte: »Er muss… muss sich irgendwo in der Nähe verstecken.«
     
     
    Einen Moment lang herrschte Stille. Obwohl der König sich nach Ruhe sehnte, empfand er diese eher als beklemmend. Er vermochte sich dieses Gefühl nicht zu erklären und ehe er ihm auf den Grund gehen konnte, hatte sein Knappe die beunruhigende Nachricht verdaut und meldete sich wieder zu Wort.
    »Ich habe keine Lust, dem Chamäleonen über den Weg zu laufen. Wir sollten schleunigst hier verschwinden. Kannst du laufen, Twikus?«
    Abermals schloss der König die Augen und antwortete leise: »Ich bin Ergil.«
    »Oh! Sei mir nicht böse, aber ich hätte mein Messer darauf verwettet, dass du diese Sache deinem Bruder überlassen hast.«
    Ergil nahm seinem Freund die Offenheit keineswegs krumm. Obwohl er sich mehr tot als lebendig fühlte, bemühte er sich sogar um ein verzeihendes Lächeln, bevor er antwortete: »So war es auch.« In seinem Innern fügte er hinzu: Herzlichen Glückwunsch, Bruderherz! Jetzt bist du der große Held, der du immer sein wolltest. Wie du Magos mit letzter Kraft die Nadel ins Herz…
    Mit einem Mal erstarrten Ergils Gedanken. Er spürte eine sonderbare Leere, die ihn mit abgrundtiefer Angst erfüllte.
    Twikus?
    Er lauschte in sich hinein, aber keine Antwort kam. Nur das Gefühl des Ausgehöhltseins wurde stärker.
    Twikus, wo bist du!?, schrie er im Geist.
    Alles blieb still.
    »Was… was ist…?«, stotterte Popi. Er musste wohl am Gesicht des Königs erkannt haben, dass etwas nicht stimmte.
    Unvermittelt ging ein heftiges Zittern durch Ergils Körper. Sein Herz begann zu rasen und das Blut rauschte wie ein Sturzbach durch seine Ohren. Alles in ihm sträubte sich gegen das, was er empfand, was er schon in der beklemmenden Stille inmitten von Popis Schweigen gefühlt hatte.
    Ergil erinnerte sich an jene wundersame Begegnung, als er an einem mörderischen Morgen im Großen Alten zum ersten Mal mit Twikus in Kontakt getreten war. Seit damals hatten sie ein Gespür für die Nähe des anderen gehabt, selbst wenn dieser vorübergehend in seinem Schneckenhaus verschwunden war. Doch jetzt fehlte diese innere Wärme. Sie war einer großen, kalten Dunkelheit gewichen, die ihn in Schrecken versetzte.
    Er bemerkte Popis sorgenvolle Miene über sich. Der Knappe drückte ihn an den Schultern auf die Erde, offenkundig weil er, der vereinsamte König im König, wie ein Fallsüchtiger von Krämpfen geschüttelt wurde. Er hörte, gleichsam vom anderen Ufer eines tosenden Flusses, das Flehen seines Knappen.
    »So sprich doch mit mir, Ergil! Was ist passiert?«
    »Twikus!«, schrie der am Boden Liegende.
    »Ja doch, Ergil. Ich kann dich verstehen. Was ist mit deinem Bruder?«
    Unvermittelt erschlaffte er. Nur seine Augen starrten in die besorgte Miene des Knappen, die rasch hinter einem Schleier von Tränen verschwand. »Er ist nicht mehr da«, antwortete Ergil schwach.
    »Nicht mehr…? Was meinst du damit?«
    »Was ich gesagt habe. Twikus… hat mich allein gelassen. Er ist fort. Tot!«
    Beim letzten Wort hatte sich Ergil aufgebäumt und es dem verschwommenen Gesicht entgegengeschrien. Danach fielen seine Augen zu und er sank kraftlos zusammen. Wahnsinn wehte in seinen Verstand, welcher ohnehin nur mehr ein im Erlöschen begriffener, glimmender Flachsdocht war. Doch einen letzten Gedanken vermochte Ergil noch zu denken: Und nun folge ich meinem Bruder und versinke in dem eisigen, pechschwarzen See…
    Dann glitt er hinab in die Dunkelheit.
     
     
    Popis Zittern hatte eine hässliche schmutzige Farbe, weil Kälte, Angst, Trauer und Sorge sich

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