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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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entdeckten.
    Múria mimte die Erschrockene. Sie riss Augen und Mund auf, machte auf dem Absatz kehrt und lief wieder in die Schlucht zurück. Vom Blutrausch benebelt stimmten die Waggs erst ein wildes Geheul an, dann nahmen sie blindlings die Verfolgung auf.
    Nachdem Múria die wilde Meute weit genug in die Klamm gelockt hatte, ließ sie ihren Willen frei. Dabei passierten zwei Dinge: Erstens alterte das erwähnte Geflecht schwacher Stellen schlagartig, wodurch eine etwa dreihundert Fuß hohe Schulter der Klippe abrutschte, in Stücke zerbrach, die Waggs unter sich verschüttete und zugleich die Klamm gründlich verschloss. Und zweitens verschwand Múria in einer benachbarten Falte der Welt, wodurch sie für die Verfolger unsichtbar wurde und selbst im Schutz der nahen Vergangenheit vor herabstürzenden Brocken sicher war, während sie tiefer in die Schlucht hineinfloh.
    »Das war eigentlich schon alles«, beendete sie den Bericht. Sie wollte mit ihrer entsetzlichen Tat nicht auch noch prahlen, so zerrissen, wie sie sich innerlich fühlte. War das Blutvergießen wirklich unvermeidbar gewesen? Hatte sie nicht anders handeln können? Oder war sie, vom Verlust Falgons wie betäubt, ein Opfer ihres Durstes nach Rache geworden?
    Von derlei Bedenken noch weit entfernt, versuchten die beiden Schmiede gerade erst, das eben Gehörte in seiner ganzen Bedeutung zu begreifen. In ihren Mienen spiegelte sich ein Ausdruck, der zu ungefähr sechs Teilen aus Ehrfurcht und zu vieren aus Verständnislosigkeit bestand.
    »Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Warum dauerte es so lange, bis du zu uns gefunden hast?«, wagte schließlich Dormund zu fragen.
    Múria zögerte. Wieder stieg die Trauer um Falgon wie Galle in ihr hoch. Sie kämpfte gegen Übelkeit an, welche ihr den Atem zu rauben drohte. Nach einem tiefen Seufzer erwiderte sie: »Weil ich nicht sicher war, ob ich einen zu hohen Preis für die Rettung Mirads gezahlt hatte. Und ob ich überhaupt noch weiterleben wollte.«
     
     
    Zwar rechnete Múria für die nächsten Stunden nicht mit einer unmittelbaren Bedrohung durch die Waggs, aber sie riet trotzdem dazu, die Klamm zu verlassen. Der seltsame Tanz der Ginkgonadel in der vergangenen Nacht habe in ihr die Vermutung genährt, dass Kaguan durch unterirdische Tunnel auf die andere Seite der Schlucht geschlichen sei. Aus nahe liegenden Gründen halte sie es daher für vernünftiger, sich nicht in einem »Strumpf zu verstecken, in dem es kein Schlupfloch zur Flucht« gebe.
    Um ihre Begleiter nicht unnötig zu beunruhigen, erwähnte sie nichts von ihrer Angst um Ergil und Twikus, für die sie längst wie eine Mutter empfand. Nur in Begleitung eines zu kurz geratenen Schildknappen und eines verfrorenen Netzlings mussten sie Magos in eisigen Höhen gegenübertreten. Die Chancen, den dunklen Gott zu bezwingen, waren zum Verzweifeln gering, und wenn sie scheiterten, würde Múria auch noch »ihre Jungen« verlieren.
    Nach kurzer Beratung einigte man sich darauf, den Königen und ihren zwei Gefährten entgegenzumarschieren. Irgendwo zwischen der Klamm und dem Gipfel würde sich ein geeignetes Versteck finden, das ausreichend Schutz vor weiteren Angriffen bot. Da die zwei Schmiede für den Aufbruch bereits alles vorbereitet hatten, machte man sich unverzüglich auf den Weg.
    Bald sattelte Tiko auf Falgons Krodibo um, weil dieses mit den schmalen Pfaden auf dem glatten Lavagestein besser zurecht kam als sein Schimmel.
    Im Laufe des Vormittags und darüber hinaus folgten die Reiter der Fährte des Königs und seines Knappen. Wieder einmal erwiesen sich dabei Schekiras aus dem Tierreich entliehene Sinne als unschätzbare Hilfe. Trotzdem kamen die Gefährten nur langsam voran, da einerseits die Spur selbst für ein Murmeltier schwer zu lesen und andererseits einer Entdeckung durch Kaguan oder andere Schergen des dunklen Gottes unbedingt vorzubeugen war. Man nutzte daher jede Deckung, die sich bot.
    Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt längst überschritten, als sie die untere Baumgrenze erreichten. Dormund gab zu bedenken, dass Ergil, Twikus und Popi nicht unbedingt auf demselben Weg talwärts steigen mussten, wie sie auf den Berg hinaufgeklettert waren. Der Hang unterhalb des grünen Bandes war einigermaßen übersichtlich, aber im Wald konnte man leicht aneinander vorbeilaufen, ohne sich zu bemerken. Die Überlegungen des Schmieds fanden Zustimmung und so schlug man im Schutz der Kiefern ein Lager auf.
    »Ich kann immer noch die Klamm

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