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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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erkennen«, sagte Tiko, nachdem die Tiere angebunden waren und man sich auf den Satteldecken niedergelassen hatte. Er deutete ins Tal.
    »Also für mich sieht das eher wie eine Wolke aus«, brummte Dormund und verzog sofort das Gesicht, weil seine gebrochene Nase jedes unbedachte Mienenspiel mit bösen Schmerzen bestrafte.
    »Ich meinte eigentlich, ich sehe den Staub, der über der Klamm liegt.«
    »Und warum sagst du’s nicht?«
    »Weil…« Tiko verstummte, da vom Berggipfel plötzlich ein grollendes Geräusch ertönte.
    Alle drei fuhren von ihren Decken auf und spähten in die Richtung, aus der die Laute gekommen waren.
    »Was war das?«, fragte Dormund.
    »Ein Gewitter?«, riet Tiko.
    Múria schüttelte den Kopf. »So hört sich kein natürliches Donnergrollen an.«
    »Aber was dann?«, fragte der junge Schmied.
    »Die Stimme eines Gottes«, antwortete sie leise. »Ich glaube, unsere vier tapferen Streiter sind in Magos’ Feste angekommen. Jetzt können wir nichts mehr für sie tun, außer zum Herrn der himmlischen Lichter zu beten.«

 
    32
     
    POPIS BESTIMMUNG
     
     
     
    Aus seiner Furchtsamkeit hatte Popi nie einen Hehl gemacht. Über eine mit seinen Gefühlen verbundene Eigenart pflegte er indes am liebsten zu schweigen. Weil er auf dem Gebiet des Zitterns so sattsam erfahren war, hatte er irgendwann damit begonnen, diese schnellen, sich der Kontrolle des Willens weitestgehend entziehenden Muskelbewegungen in mehrere Farbtöne einzuteilen, wobei er auch angstlose Empfindungen mit einbezog.
    Rot war für den Hasenfuß das furchtvolle Schaudern, ein freudiges Erbeben dagegen eindeutig gelb. Im Laufe seines jungen Lebens schuf er aus den verschiedenen Arten von Aufregungen eine so bunte Palette, dass es an dieser Stelle zu weit führen würde, sämtliche Farbschattierungen für ergreifende Gemütsbewegungen aufzuzählen, etwa für Herzklopfen, Lampenfieber, Schüttelfrost und Ekel, um nur einige zu nennen. Deshalb wollen wir uns darauf beschränken, jene Farbtöne zu erwähnen, die Popis wechselnde Seelenzustände auf dem Kitora anschaulich machen.
    Nachdem der Lärm vom Gipfel des Vulkans erstorben war, wechselte sein Zittern von einem schauerlichen Scharlachrot in ein bibberndes Blau – er fror erbärmlich, trotz Pelzmütze, Handschuhen und eines Kälteschutzes, der seinen Körper mit fast so vielen Lagen umgab, wie eine Zwiebel Häute besaß. Zu dieser Zeit befand er sich in einer winzigen Höhle dicht unterhalb des Kraterrands und flößte sich murmelnd Mut ein.
    »Jetzt bist du so weit gekommen, nun musst du es auch zu Ende bringen.«
    Seine Gedanken kehrten in den Kiefernwald zurück. Als er dort den zusammengerollten Mantel des Königs gefunden hatte, war er zunächst zwischen purpurner Wut und farbloser Enttäuschung hin und her gerissen, obwohl er schon vorher gespürt hatte, dass Ergil ihn aus falsch verstandener Kameradschaft, aus Rücksicht oder wer weiß warum zurücklassen wollte. Bereits einige Stunden früher, bei der merkwürdigen Unterhaltung über den Netzling, hätte ihm ein Licht aufgehen müssen. Zu dieser Zeit musste Ergil längst erwogen oder sogar geplant haben, seinen spinnwebenartigen Freund der Obhut des Knappen zu übergeben.
    Mit einem eklig braunen Zittern hatte sich Popi zum Gespinstling Nisrahs gemacht. Daraufhin war er mit dem Umhang unterm Mantel dem König hinterhergeeilt. Der Netzling half bei der Spurensuche, indem er Popis Sinne schärfte. Bald hatte dieser den Ausreißer auf einem Schneefeld entdeckt und von da an folgte er ihm in sicherem Abstand. Zeigen wollte er sich seinem Herrn nicht; zu arg war ihm der Gedanke, abermals abgewiesen zu werden. Aber ihn im Stich lassen – das kam erst recht nicht infrage.
    Doch dann begann das Donnern und damit das scharlachrote Zittern. Kurz darauf flog auch noch Twikus’ Bogen über den Kraterrand und landete ziemlich genau vor Popis Füßen. Ungläubig hob er die zerschrammte, aber sonst unversehrt gebliebene Waffe auf und versuchte sich im Geiste auszumalen, was jenseits der Felsenkrone vor sich gehen mochte. Weil er über einige Phantasie verfügte, gewann wieder der Hasenfuß in ihm die Oberhand.
    In der Nähe eines einzelnen verdorrten Baumstammes, der wie eine Zoforothkralle aussah, entdeckte er eine Felsspalte. Da hinein verkroch sich Popi und ließ, während es im Krater grollte und donnerte, einen grellroten Schauder nach dem anderen über sich ergehen. Schließlich kehrte eine gespenstische Ruhe

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