Mirad 02 - Der König im König
können.«
König Gozzmandel IX. wirkte gleich doppelt erleichtert. Wiewohl ihm die Worte nur schwer über die Lippen kamen, legte der Kahlkopf die förmliche Kapitulationserklärung ab. Schlussendlich besiegelte er alles mit dem geforderten Eid.
In Windeseile verbreitete sich die Nachricht seiner Unterwerfung durch die Klamm bis zu den Ungeraden, die am Eingang von Tusan und seinen Recken in Schach gehalten wurden. Als die Waggs damit begannen, ihre Waffen abzulegen, brach unter den Stromländern Jubel aus.
Im Laufe mehrerer Stunden wuchs auf dem Vorplatz der Schlucht – just an der Stelle, wo Falgon gefallen war – ein riesiger Turm aus Äxten, Keulen, Schwertern, Messern und anderem kriegerischen Gerät. Nacheinander durften die Entwaffneten sich in ihre unterirdischen Höhlen und Gänge zurückziehen.
Während die Entwaffnung noch anhielt, durchquerte eine Abordnung der Ungeraden die Klamm und überreichte Ergil in einer juwelenbesetzten Schatulle Falgons Haupt und dessen Schwert. Erneut brachten Trauer und Zorn die Gefühle des jungen Königs in Wallung. Doch einmal mehr bewies Múria Besonnenheit und Weisheit, indem sie sich von ihm die sterblichen Überreste des Liebsten erbat, um sie in der Königsgruft auf der Sooderburg beisetzen zu lassen. Biberschwanz hingegen wurde dem Mann überlassen, der es einst geschmiedet hatte: Falgons tapferem Gefährten Dormund.
Nachdem sämtliche Krieger des Grondvolks ihre Waffen abgegeben hatten, waren nur noch Gozzmandel und seine vier Leibwächter übrig geblieben.
Furchtlos näherte sich Ergil, in der Hand immer noch das strahlende Himmelsfeuer, dem Herrscher der Waggs. Etwa vier Schritte vor ihm blieb er stehen, betrachtete die offenkundig besorgten Gesichter Gozzmandels und nickte zufrieden.
»Wenigstens sind Eure Krieger Euch ergeben, König. Dadurch haben wir weiteres Blutvergießen verhindern können. Ich hoffe, Eure kluge Entscheidung von heute wird viele Generationen lang auch von Euren Nachfolgern respektiert werden.«
»Bei den Waggs ist das Wort des Königs Gesetz«, versicherte der Doppelköpfige.
»Das ist gut.« Ergil nickte anerkennend. »Danke auch, dass Ihr uns das Haupt Falgons und sein Schwert übergeben habt.«
»Und nicht zu vergessen die kostbare Schatulle«, bemerkte der Braunschopf.
Ergils Augen verengten sich.
»Ihr seid noch jung, Majestät. Die Zeit wird Eure Wunden heilen«, beeilte sich der Kahlkopf beschwichtigend hinzuzufügen.
Ergils Kiefer mahlten. Überraschend ruhig erwiderte er: »Jetzt habt Ihr schon zweimal meine Jugend erwähnt, König. Darf ich fragen, wie alt Ihr seid?«
»Im Winter werden es fünfzig Jahre«, krächzte Gozzmandels linkes Haupt mit sichtlichem Argwohn.
»Ah!« Der König von Soodland nickte verstehend. »Dann seid Ihr wohl nicht zu betagt für ein kleines Abschiedsgeschenk. Mein Ziehvater, der tapfere Falgon, lehrte mich Zurückhaltung, vor allem im Gebrauch von Waffen. In einem Krieg gebe es immer nur Verlierer, machte er mir klar. Nie habe ich ihn besser verstanden als heute. Würdet Ihr mir darin zustimmen, dass mit zunehmendem Alter die Kampfeslust zugunsten von Besonnenheit nachlässt?«
Gozzmandels Köpfe grunzten im Chor. Sein rechtes Haupt antwortete: »Das mag bei Menschen so sein, aber nicht bei Waggs. Wir sind von Natur aus kriegerisch. Solange wir laufen können, werden wir auch in die Schlacht ziehen und…«
»Halt gefälligst dein Maul!«, zischte der linke Kopf leise.
Ergil betrachtete versonnen sein strahlendes Schwert. Dabei nickte er abermals gewichtig. Nach einer Weile murmelte er: »Das habe ich mir schon gedacht.«
Hierauf begannen seine grünen Augen das Licht Zijjajims widerzustrahlen, sein Wille entfaltete sich mit Macht und der doppelköpfige König verwandelte sich in einen uralten Wagg. Während er um etwa fünfzig Lebensjahre zulegte, sprach Ergil in gebieterischem Ton folgenden Fluch: »Bei Dem-der-tut-was-ihm-gefällt und bei meinem Schwert Zijjajim, falls die Waggs je auch nur erwägen, Euren Schwur zu brechen, dann sollen die Berge auf sie herabstürzen. Und wenn Euer Volk je an die Oberfläche zurückkehrt, soll das Himmelsfeuer es mit Haut und Haar auf immer verzehren.«
Als habe der Fluch es besonders eilig, zur Tat zu schreiten, verschrumpelte Gozzmandel zusehends. Und mit den Lebensjahren verlor er auch die Kraft. Er geriet ins Wanken und brach alsbald völlig geschwächt zusammen. Seine Leibwächter sprangen herzu, hoben den jäh vergreisten König vom
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