Mirad 02 - Der König im König
zurück.
In ihrer wahren Gestalt blieb sie vor seinem Gesicht in der Luft stehen und verkündete: »Die Ungeraden strömen Hals über Kopf in die Klamm. Wie ein Angriff sieht es allerdings nicht aus, eher wie eine Flucht. Rate mal, vor wem sie Reißaus nehmen!«
»Vor Qujibo?«
»Oh? Dann habt ihr den Klang des Horns erkannt? Die Hauptstreitmacht besteht tatsächlich aus Stromländern, aber ihr Anführer ist nicht der Herzog, sondern ein anderer, sehr viel Jüngerer.«
Ergil riss die Augen auf. »Doch nicht etwa…?«
»Doch«, flötete Schekira. »Dein Freund Tusan hat sich zum Heerführer gemausert.«
Ergil schüttelte den Kopf. »Ich fass es nicht! Sein Vater hat einmal behauptet, Tusan ließe sich in keine Uniform zwängen. Er sei wie ein wildes Tier, das in einem Käfig aus militärischer Zucht und Ordnung über kurz oder lang eingehen würde.«
»Mag ja sein. Eine Uniform trägt er tatsächlich nicht. Aber er rückt mit hunderten von Reitern durch den Wald auf die Schlucht vor. Für die Waggs müssen die fremden Krieger wie himmlische Wesen anmuten, weil sich das Licht der aufgehenden Sonne auf ihren Harnischen spiegelt. Die Ungeraden sind eingeschlossen und werden von Tusans Heer gegen den Felsenwall gedrängt. Deshalb fliehen sie Hals über Kopf in die Klamm.«
Ergils Verstand begann fieberhaft zu arbeiten. Sein Blick schweifte wieder zu der Schlucht. Jenseits der Staubwolke glaubte er im Wald tatsächlich ein rotgoldenes Glitzern zu sehen. »Das ist eine einmalige Gelegenheit«, murmelte er.
Jazzar-fajim trat neben ihn und lächelte grimmig. »Ich ahne, woran du denkst, mein Vetter.«
»Wirklich?«
»Wenn wir den Ausgang der Klamm von der anderen Seite versperren, sind die Waggs darin gefangen!«
»Richtig. Aber ich will ihre Kapitulation, nicht ihren Untergang.«
»Nichts anderes hätte ich von einem König des Weisen Volkes erwartet.«
Jetzt erst wandte sich Ergils Gesicht dem Sirilo zu. Er musste die Worte seines Urgroßoheims erst verdauen, ehe er antworten konnte: »Bist du bereit, noch einmal für unser Volk zu kämpfen?«
Die ersten Waggs schickten sich gerade an, das Nadelöhr zu verlassen, um den Hang des Vulkans hinaufzustürmen, als der König von Soodland und seine Mitstreiter am Ausgang der Klamm wie aus dem Nichts erschienen. Ergil ließ sein gläsernes Schwert aufflammen, Tiko und Jazzar-fajim flankierten ihn mit ihren Bogen. Mangels Hammer behalf sich Dormund mit einer susanischen Streitaxt. Schekira war auf dem Weg zur anderen Seite der Schlucht, um Tusan über Ergils Plan in Kenntnis zu setzen. Popi und Múria hielten sich im Hintergrund. Die Herrin der Seeigelwarte hatte vergeblich gegen das waghalsige Vorhaben protestiert.
Als die Ungeraden Zijjajims Strahlen gewahrten, gerieten sie in Panik. Ihr Vormarsch kam jäh ins Stocken. Einige aus der Vorhut wurden von den Nachdrängenden umgestoßen und in den Staub getrampelt. Ein einzelner Wagg mit zwei Köpfen und prachtvoller Rüstung kletterte, gefolgt von vier anderen Kriegern, forsch über die Gefallenen hinweg zur Spitze des Zuges. Sein linkes Haupt war kahl, das andere mit einem Gestrüpp brauner Haare bedeckt. In seinen faltigen Gesichtern wogte der Grimm. Nachdem er einen unverstellten Blick auf die Gegner erlangt hatte, schmolz seine Beherztheit dahin.
»Wer seid Ihr?«, rief er mit meckernder Stimme und ließ dabei einen makellosen Satz nadelspitzer Zähne aufblitzen.
»Ich bin Ergil von Sooderburg, König von Soodland und Bezwinger von Magos, dem Herrn in den Eisigen Höhen. Möglicherweise kennt Ihr mich besser als denjenigen, der Eurem Heerführer Kawuzz eine zweite Kindheit geschenkt hat. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Menge.
»Wir sind König Gozzmandel IX.« Die Antwort des Doppelkopfs klang wie eine Entschuldigung.
Ergils Kiefer mahlten. »Eure Krieger haben unseren tapferen Falgon erschlagen. Da hofftet Ihr wohl, ein wenig Ruhm und vor allem das Wohlwollen Eures Herrn einstreichen zu können, indem Ihr Euer Heer persönlich gegen uns in Feld führt, nicht wahr?«
Gozzmandel schwieg.
»Dachte ich mir«, sagte Ergil. »Nun, das Kriegsglück hat sich gewendet. Ihr seid mit Eurer Armee in der Klamm gefangen. Wollt Ihr Euch ergeben oder gegen uns kämpfen?«
Der kahle Kopf des Waggkönigs drehte sich nach hinten um, der andere behielt Ergil und seine Gefährten im Blick und antwortete nach kurzem Zögern: »Wir sind eindeutig in der Überzahl.«
»Mag sein,
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