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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ich mein Vieh untergestellt habe. Es war feuerrot, riesengroß und hatte ein Gebiss wie ein Luchs. Sein fleischiger Schwanz sah aus wie eine Schlange.«
    »Ein Drachenross«, sagte eine helle, sehr weibliche Stimme, die der Senner, seinem verwirrten Blick nach zu urteilen, keinem der Umstehenden zuordnen konnte. Am ehesten noch schien sie von dem kleinen Eisvogel zu stammen, der auf der Schulter des hoch gewachsenen jungen Recken saß.
    »War da auch ein Reiter?«, fragte Múria den Senner.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen gesehen. Aber das muss nichts heißen. Beim Anblick des roten Ungeheuers bin ich in meine Hütte geflüchtet und erst wieder herausgekommen, als das Biest verschwunden war.«
    »Wann ist das gewesen?«
    »Vor zwei Tagen.«
    »Und sonst ist dir nichts aufgefallen? Fußspuren im Schnee? Seltsame Gerüche oder Geräusche oder…?«
    »Doch! Jetzt, wo Ihr danach fragt. Gestern habe ich in der Nähe des Stalls Spuren gefunden. Das war seltsam…« Der Blick des Senners wurde abwesend.
    »Was ist dir an den Spuren merkwürdig vorgekommen?«
    »Ich dachte erst, die würden von einem Menschen stammen.«
    »Aber…?«
    »Derjenige ist barfuß gegangen. Bei dieser Kälte barfuß! Aber das war nicht das einzige Sonderbare…« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann Euch nicht verübeln, wenn Ihr mich für einen Narren haltet.«
    Múrias Hand tätschelte den Arm des Senners. »Glaube mir, das tun wir nicht. Du hast eben gesagt, sie schienen von einem Menschen zu stammen. Was hat dich, abgesehen vom fehlenden Schuhwerk, außerdem daran zweifeln lassen?«
    »An den Füßen waren sechs Zehen dran. Könnt Ihr Euch das vorstellen?«
    Múria lächelte listig. »O ja, mein Guter. Das kann ich sogar sehr gut.«
    »Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir: Es war Kaguan und wir sind ihm näher, als ich zu hoffen wagte«, wiederholte Múria, was sie schon zuvor angedeutet hatte, nachdem der Senner seines Weges gezogen war. Die Gefährten saßen wieder auf den Rücken ihrer Krodibos und ritten in die Richtung, die der Kuhhirte mit seinen Beobachtungen bestätigt hatte: geradewegs nach Osten.
    »Was ist ein Drachenross?«, fragte Popi verwundert.
    »Nie Harkon Hakennase gelesen?«, erwiderte Ergil.
    »Äh, ich kann doch nicht lesen.«
    »Entschuldige, das vergesse ich immer. Wir sollten daran bei nächster Gelegenheit etwas ändern. Was deine Frage betrifft: Ein Drachenross gleicht den Pferden, die du kennst. Es ist ein Huftier, aber erheblich größer. Die alte Hakennase schreibt in seinen Reiseberichten, die Drachenrösser könnten eine Schulterhöhe von acht Fuß erreichen und zwischen weiß und schwarz könne die Farbe ihres Fells viele Töne annehmen, die man von gewöhnlichen Rössern nicht kennt: grün, blau…«
    »Und feuerrot.«
    »Vielleicht hat der Senner sich von seiner Angst auch blenden lassen. Das Maul des Drachenrosses könnte noch blutig gewesen sein von dem gerissenen Kalb«, warf Dormund ein. Er hatte sich um eine halbe Krodibolänge zurückfallen lassen.
    »Ich habe keinen Zweifel, dass er ein Drachenross und die Spur eines Zoforoth gesehen hat«, beharrte Múria. »Die riesigen Rösser sollen so gut wie ausgestorben sein, aber es heißt, vereinzelte kleine Herden lebten noch am Fuß des Kitoras.«
    »Das würde passen«, brummte Falgon. »Offenbar wiegt sich Kaguan in Sicherheit und treibt sein Drachenross deshalb nicht zu höchster Eile an.«
    »Es könnte noch einen anderen Grund für sein verhaltenes Tempo geben«, sagte Ergil. »Vielleicht will er uns einen Hinterhalt legen.«
    Den Kopf kaum nach hinten geneigt, suchte Múria mit den Augen den tiefblauen Morgenhimmel ab und murmelte: »Warum er selbst? Vielleicht hat er ja Helfer.«
    Der Blick des Königs folgte dem ihren. Hoch über sich gewahrte er einen dunklen Schatten.
    »Sieh nicht so auffällig hin! Er folgt uns schon seit gestern«, sagte Múria leise.
    Ergil schaute wieder geradeaus und schloss die Augen.
    Nisrah!, riefen seine Gedanken.
    Hier bin ich, lieber Gespinstling, antwortete dessen innere Stimme.
    Hilf mir bitte. Ich will mir diesen Vogel genauer ansehen.
    Nur zu! Geh voran, ich folge dir.
    Der Sirilimsinn des jungen Königs wanderte am Faltenwurf der Welt entlang, stieg rasch mit dem Wind in die Höhe und durchströmte schließlich das Gefieder des fernen Beobachters.
    »Ein Tarpun?«, wunderte sich Ergil. »Ich dachte, die leben nur im Süden.«
    Ohne ihn anzusehen, antwortete seine Meisterin:

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