Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Gabe benutzen konnten, um sich des gefiederten Spions zu entledigen. Er rief Twikus ein Ereignis aus ihren Kindertagen in den Sinn.
    Ein junges Mooshörnchen war aus seinem Nest in einer Rotgranne gefallen. Zwar hatte es den Sturz wie durch ein Wunder unbeschadet überstanden, aber wie sollte es in die Höhle zurückgelangen? Die niedrigsten Äste hingen mehr als dreißig Fuß über dem Boden. Unmöglich, an dem Stamm emporzuklettern. Mit einem Mal erfüllte Ergil ein schwer zu beschreibendes Gefühl, eine selbst ihm unerklärliche Gewissheit, das Junge trotzdem retten zu können. Und dann tat er etwas Erstaunliches.
    Er nahm das flauschige Mooshörnchen – es war kaum größer als eine dicke Pflaume – und schob seinen Arm in eine Spalte zwischen den Wurzeln des Baumes. Dort hatte er unbewusst eine Verwerfung im zerknüllten Tuch von Zeit und Raum entdeckt. Viel später erst wurde ihm klar, dass seine Hand eine Abkürzung durch das Gewebe Mirads genommen hatte wie eine Nadel, die eine Falte quer durchsticht. Infolgedessen erschien der scheinbar herrenlose Körperteil wie aus dem Nichts im Bau der Mooshörnchen und legte den kleinen Ausreißer ins Nest zurück; seine Geschwister dürften sich erschrocken haben. Später hatten die Sirilimzwillinge noch mehrmals ähnliche Kunststücke vollbracht. Sie taten es, ohne nach Gründen für diese merkwürdige Fähigkeit zu suchen, wie ja auch Twikus seine außergewöhnliche Treffsicherheit nie ernsthaft hinterfragt hatte, weil sie ihm ganz selbstverständlich erschien.
    Willst du das wirklich?, fragte Twikus, nachdem sein Bruder den Plan erklärt hatte. Bisher konntest du doch keinem Schmetterling was zuleide tun.
    Ja, erwiderte Ergil entschlossen. Das da über uns ist ebenso wenig ein normaler Tarpun wie Murugan ein gewöhnlicher Sindran gewesen ist. Je tiefer ich den Greif durchdringe, desto stärker kann ich es spüren. Er will uns in eine tödliche Falle locken.
    Ich fühle es auch. Findest du das nicht unheimlich?
    Nein, es ist die Natur der Sirilim, die dank Nisrah in uns immer stärker wird. Denk daran, was Múria uns über die Schönen gelehrt hat. Sie sind in allem und alles ist in ihnen. Auch dieser falsche Tarpun da über uns – irgendwie verändert Magos diese Kreaturen, sodass sie nur noch äußerlich sind, was sie zu sein scheinen. Ich denke, es ist besser, wenn du den Schuss ausführst.
    Oh! Dann gibt es also doch noch etwas, wozu ich in deinen Augen gut bin.
    Heb dir die Sticheleien für später auf und konzentriere dich. Der kleinste Patzer könnte einem Unschuldigen das Leben kosten.
    Ergil trat in den Hintergrund und überließ seinem Bruder den Körper. Twikus nahm Pfeil und Bogen zur Hand.
    »Was hast du vor, Ergil?«, fragte Múria erstaunt.
    »Ich bin Twikus.«
    Schneewolke und sein Reiter verschmolzen gleichsam zu einer Einheit. Das Krodibo schwebte jetzt mehr über den Boden, als dass es galoppierte. Der junge König ließ die Pfeilspitze hin- und herwandern, ohne sie jedoch ein einziges Mal auf den Himmel zu richten. Mal deutete sie geradeaus, dann wieder auf einen der Gefährten.
    »Was soll das werden?«, brummte Falgon aus dem Hintergrund.
    »Später, Oheim.« Twikus’ Stimme klang abwesend.
    »Spar dir den Pfeil, Junge. Der Tarpun fliegt zu hoch.«
    Sein Zögling nahm es kaum wahr.
    Hast du schon die richtige Falte gefunden?, fragte Twikus.
    Einen Moment noch. Ich spüre, dass sie hier irgendwo ist.
    Du meinst, wie bei dem jungen Mooshörnchen?
    Ganz genau so. Nisrah, bitte hilf uns!
    Schon längst fließt meine Kraft in dich, erwiderte der Netzling verschnupft.
    »Ich glaube, unsere Zwillinge planen etwas anderes«, bemerkte Múria, während sie den sonderbaren Tanz der Pfeilspitze verfolgte. Obwohl ihre Stimme kaum lauter als das Getrappel der Krodibohufe war, klang sie unüberhörbar eindringlich, als sie sich an ihre Schüler wandte. »Überlegt euch gut, was ihr tut! Spätestens wenn ihr auf den Spion zielt, weiß er, dass wir ihn entdeckt haben.«
    »Der Spitzel wird nicht bemerken, dass wir ihn ins Visier genommen haben«, murmelte Twikus. Der größte Teil seines Bewusstseins war längst ins Faltentuch Mirads eingewoben. Das Gefieder des Pfeils lag an der Wange des Jägers. Sein Blick wanderte an einer unsichtbaren Linie entlang, deren Anfang der Schaft und die Pfeilspitze bildeten und die in diesem Augenblick Popis Brust durchschnitt.
    Der Schildknappe riss die Augen auf und kreischte: »O nein! Er hat den Verstand verloren und hält

Weitere Kostenlose Bücher