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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Waschküche.
    Ergil hatte schon befürchtet, die unter dem Schnee verborgene Straße mit seinen Sirilimsinnen nicht länger erkennen zu können, weil das Stimmengewirr aus dem Zungenwald bald jede andere Wahrnehmung der Alten Gabe übertönte, aber diese Sorge erwies sich als unbegründet.
    »Unter den Baumkronen liegt kein Schnee«, staunte Popi. Inzwischen konnten es ohnehin alle sehen. Die Gefährten waren nur noch einen Steinwurf weit vom Waldsaum entfernt.
    Dormund deutete nach vorn. »Was hast du gedacht, woher dieser Wasserdampf kommt, der überall aufsteigt? Die Pflanzen schwitzen.«
    »Es sind keine Pflanzen«, sagte Ergil tonlos. Seine Augen waren glasig. Er hatte das Gefühl, sich einem gewaltigen, lärmenden Vogelschwarm zu nähern. Die erstaunten Blicke, die ihn von allen Seiten trafen, nahm er kaum wahr.
    »Bist du dir sicher?«, erkundigte sich Falgon.
    Ergil reagierte nicht.
    »Ja, alter Freund«, antwortete die Elvenprinzessin an seiner statt. Sie trug wieder das Falkengefieder. »Sein Sirilimsinn hat ihm das Wesen der Zungenbäume offenbart, bevor Inimai und ich es spüren konnten. Nicht wahr, große Schwester?«
    Múria nickte. »Im Gegensatz zu uns scheint Ergil aber unter diesem Empfinden zu leiden.« Sie lenkte ihr Krodibo an Schneewolkes Seite und legte die Hand auf die Schulter des Königs. Er zuckte zusammen und sah sie fragend an.
    »Dir geht es nicht gut, habe ich Recht?«, fragte sie mit lauter Stimme.
    »Ich kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Es ist so laut!«, schrie er.
    »Du musst Nisrah bitten dich loszulassen.«
    »Was soll ich tun?«
    »Der Weberknecht verstärkt deine Wahrnehmungen. Wenn du einen ganzen Tag lang dem Lärm der Zungenbäume ausgesetzt bist, verlierst du womöglich den Verstand.«
    Ergil nickte und rief seinen ständigen Begleiter.
    Hast du Inimai verstanden, Nisrah?
    Ihre Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Mut. Bitterkalt ist es. Erfrieren werde ich, jammerte der Netzling.
    Keine Sorge. Im Wald ist es warm. Außerdem bleibst du ja, wo du bist: unter meinem Mantel.
    Ganz bestimmt?
    Königliches Ehrenwort. Und jetzt gönne meinen Sinnen bitte eine Pause, sonst verliere ich tatsächlich noch den Verstand.
    Na schön. Aber wohl ist mir dabei nicht. Ohne Verbindung mit dir bin ich unter dem Umhang fast taub und blind. Und ich habe doch geschworen, dich zu beschützen.
    Willst du der Hüter eines wahnsinnigen Königs sein?
    Verstehe schon. Dann lebe wohl, mein lieber Gespinstling.
    Jetzt mach’s nicht so dramatisch. Wir bleiben ja zusammen.
    Ergil verzog das Gesicht, als der Netzling seine Nerven freigab und er das bekannte Ziehen im Nacken spürte – daran würde er sich nie gewöhnen. Das Zwitschern des Waldes verwandelte sich schlagartig in ein Rauschen, wie es Ergil an stürmischen Tagen bisweilen auch im Großen Alten vernommen hatte. Seine Anspannung löste sich.
    »Besser?«, fragte Múria mitfühlend.
    »Erheblich besser«, erwiderte er lächelnd.
    Inzwischen befanden sich die Reiter unter den wuselnden Baumkronen. Eine warme Woge schlug ihnen entgegen, die allen unvermittelt den Schweiß aus den Poren trieb. Rasch entledigten sie sich ihrer Gesichtsmasken und bald sogar der Mäntel.
    Falgon ritt auf dem abschüssigen breiten Weg aus festgestampfter Erde voran. Er führte geradewegs nach Osten, mitten in den Zungenwald hinein.
    »Und wer passt jetzt auf uns auf?«, fragte Popi mit banger Miene. Seine Blicke sprangen zwischen den wogenden Blättern hin und her.
    »Na wer schon? Du natürlich«, antwortete Falgon und lachte schallend.
    Der Knappe erstarrte.
    »Lass dir keinen Bären aufbinden, Popi«, sagte Ergil schmunzelnd. »Wir sind auch ohne die Sirilimsinne nicht ganz wehrlos.« Und sich an die Elvin wendend, fügte er hinzu: »Könntest du ein Stück vorausfliegen und dich umsehen, Kira?«
    »Gerne, mein Retter. Aber verlasst euch nicht allein auf mich. Dieser sonderbare Wald bringt auch meine Sinne durcheinander.« Sie erhob sich aus Schneewolkes Geweih und schoss mit kräftigen Flügelschlägen davon.
    Nach etwa zwei Stunden kehrte die Prinzessin zurück. Inzwischen waren die Gefährten tief in den Zungenwald eingedrungen. Schekira hatte nichts Verdächtiges entdeckt; abgesehen von Vögeln, Insekten und ein paar anderen wilden Tieren sei der Wald offenbar unbewohnt.
    »Wir werden trotzdem wachsam bleiben«, beschied Falgon von der Spitze des Zuges her.
    Die gelben Zungen, die über ihren Häuptern hin- und herwogten, ließen ihnen gar

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