Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Husten an. »Bitte nehmt es mir nicht übel, Majestät, aber Torlunds Sohn ist noch ein Knabe. Nein, ich hatte an Euch gedacht.«
»An mich?« Borst lachte rau.
Sein Waffenmeister blieb, was die Heiterkeit anbelangte, enthaltsam. »Das ist mein Ernst, Majestät. Ihr verfügt über Weisheit und Ritterlichkeit, kennt sowohl die Staatskunst als auch die des Krieges, seid Euch nicht zu fein gewesen, für die gerechte Sache zu hungern, zu frieren oder Euch beschimpfen zu lassen, und Ihr habt vor niemandem Angst. Ich weiß, dass König Ergil meine Meinung teilt. Nicht ohne Grund hat er Euch zum Verteidiger Soodlands berufen. Es liegt somit in Eurer Hand, dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten und Euch zum Retter und zum Stifter eines neuen Friedens aufzuschwingen.«
Borst blickte seinen Adjutanten lange aus versteinerter Miene an. Dann sagte er erstaunlich leise: »Ihr habt mir viele Jahre treu gedient, Torbas, und mir manches Mal das Leben gerettet. Ich möchte behaupten, Euch zu kennen. Euch ist es mit dieser Sache wirklich ernst, nicht wahr?«
Der Waffenmeister nickte. »Ja, Majestät, das ist es. Und wenn es mein Leben kostet.«
Zwei Tage nach dem Vieraugengespräch des soodländischen Reichsverwesers und seines Adjutanten galoppierte ein geflecktes Pferd vom Hafen zur Sooderburg hinauf. Aus den Nüstern des Gescheckten schossen stoßweise kleine Wölkchen. Der Sommer war zwar erst vor zwei Wochen zu Ende gegangen, aber die Kälte kam – wie nicht anders zu erwarten – früh in diesem Jahr.
Als die Sonne gerade über dem Schollenmeer aufging, erreichte der berittene Bote das Tor des äußeren Walls. Er musste noch ein weiteres durchqueren, um in den inneren Verteidigungsring und damit zu der Dame Múria zu gelangen. Der Mann kannte die Parole, gehörte überdies der königlichen Garde an, hatte ein in der Festung bekanntes Gesicht sowie einen gültigen Passierschein, was in der Gesamtheit günstige Voraussetzungen waren, um nicht als Spion verdächtigt zu werden. Unbeschadet gelangte er zur Empfängerin seiner Nachricht.
»Bitte sagt das noch einmal«, verlangte Múria, nachdem sie alles gehört hatte. Ihr Gesicht strahlte Freude, aber auch eine gewisse Ungläubigkeit aus.
»Ein Schiff ist heute Nacht durch die Blockadekette geschlüpft und eben im Hafen eingelaufen. Es ist die Silbergink go«, wiederholte der Soldat.
»Und ist… der König an Bord?«
»Nein, Herrin. Nur der Kapitän, seine Männer und ein Rudel Schlittenwölfe. Der ehrenwerte Rundar versprach, schnellstmöglich zu Euch zu kommen und Euch einen ausführlichen Bericht von der Reise zu erstatten.« Der Gardist kannte Bombo nur unter seinem seltensundischen Bürgernamen.
Etwa eine Stunde später empfing Múria den Kapitän persönlich am äußeren Tor, damit ihm die ermüdende Prozedur der Kontrollen erspart blieb. Sie begaben sich direkt in den Saal des Bundes, wo bereits Borst und Fürst Halbart Bookson von Grotsund warteten. Nachdem Múria für ihren alten stromländischen Weggefährten ein »ordentliches Frühstück« bestellt hatte, bat sie Bombo um den versprochenen Bericht.
Der Seebär erzählte – anfangs sehr flüssig, später mit vollem Mund und etwas stockender – vom Verlauf der Expedition. Als das Floranienkapitel an die Reihe kam, konnte Borst sein Unbehagen kaum verhehlen. Besonders schwer knabberte er an dem Teil, in dem sich die Gemeinschaft des Lichts in eine walförmige Wolke aus Samenflöckchen begeben und mit diesem »Luftschiff« Kurs auf den Weltenbruch genommen hatte.
Kurz und bündig behandelte Bombo das Schlusskapitel, die Rückkehr der Silberginkgo nach Soodland. Mehrmals entschuldigte er sich, weil das Sirilimschiff ohne Ergils Zuspruch fast die ganze Zeit nur »mit halber Kraft« gefahren sei; erst in den letzten Tagen hätten sich das eigensinnige Gefährt und er angefreundet, worauf sich die Reisegeschwindigkeit spürbar erhöhte. Letztlich sei es auch die Silberginkgo gewesen, die eine passende Lücke in der Blockadekette gefunden habe.
»Und jetzt sind wir hier«, beschloss Bombo seinen Rapport. »Ergil meinte, es könnte nicht schaden, den Achsenherren die Laune zu verderben, indem wir sie von der Rückkehr unseres Schiffes wissen lassen. Sie müssen ja nicht erfahren, dass der König gar nicht an Bord ist.«
Ein geheimnisvolles Lächeln lag auf Múrias Gesicht. »Das ist eine gute Idee, mein Lieber. Darum werde ich mich kümmern. Im Übrigen sollte die Präsenz der Silberginkgo im Hafen von
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