Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
wüsste Besseres, als Tag für Tag in dieses Loch herabzusteigen.«
»Ebenso auch ich, Ricklund, aber die Pflicht…«, antwortete der Mann im Umhang viel und trotzdem nichts sagend.
»Wieder ein geheimes Verhör, nehme ich an«, mutmaßte der junge Gardist.
Der Besucher nickte. »Wie gehabt, Ricklund. König Borst muss nach jedem Strohhalm greifen und ich erledige für ihn die Drecksarbeit. Bitte bewahrt absolutes Stillschweigen über diese Verhöre. Die Spione der Achse können überall stecken, selbst hier im Palast.«
»Meine Kameraden und ich können sowieso nichts verraten, weil Ihr uns immer in den Hauptgang schickt.«
»Glaubt mir, Ricklund, es ist zu unser aller Schutz. Ich danke Euch für Eure Verschwiegenheit.«
»Schon in Ordnung. Wir warten dann am Ende des Tunnels auf Euch. Vielleicht verrät unser Gast Euch ja heute etwas über die Pläne des Feindes.«
Die vier Wachen entfernten sich.
Als ihre Schritte im Gang verhallt waren, wandte sich der Mann im Umhang dem Gitter zu. Das Licht der Ölfunzel reichte kaum, den Raum dahinter zu beleuchten. Undeutlich waren kahle Felswände, eine Pritsche, ein leerer Holzteller und ein Bottich zu sehen.
Bis sich unvermittelt ein Schemen aus den Schatten schälte.
»Tritt näher«, sagte Kaguan mit einschmeichelnder Stimme. »Ich warte schon seit Stunden auf dich. Wir beide haben noch einiges zu schmieden: große Pläne und zuletzt ein großes Schwert.«
Unweit der Kerkerzelle des Zoforoths, nur ein paar hundert Fuß höher und etwa vierundzwanzig Stunden später, saßen Borst und sein Adjutant Torbas in einem gemütlichen Gemach, das über den Vorzug eines Fensters verfügte. Es lag im obersten Stockwerk des Hauptgebäudes der Sooderburg, in welchem Ausblicke auf die Umgebung bekanntermaßen eine Rarität waren. Früher hatte der Raum Timmerland, dem Kommandanten der Palastwache, als Quartier gedient, aber weil Borst in Ergils mehrstöckigem Irrgarten ständig unter Atemnot litt, hatte er sich nun selbst dort eingenistet. Die beengten Verhältnisse störten ihn nicht. Der ehemalige König von Pandorien hatte in seinen Jahren als Geächteter schon ganz andere Unannehmlichkeiten erduldet.
Im Moment blickte er durch das Fenster auf das Schollenmeer hinaus. In dem schlierigen Glas konnte er undeutlich die Blockadeschiffe als dunkle Punkte wahrnehmen. Seine Augen wandten sich nach oben, aber der Knochenturm stand zu nahe an dem Palast, um bis zur Spitze hinaufsehen zu können.
»Sie steht wieder oben«, sagte Torbas.
Borst schnaubte. »Ich finde, manchmal übertreibt Múria es mit ihren Prinzipien. Von hier aus kann ich das Aufmarschgebiet des Feindes auch überblicken. Nicht so umfassend vielleicht, aber es reicht, um mir den Tag zu verderben.«
»Ihr habt Ergils Reich bisher sehr klug verteidigt, Majestät.«
»Findet Ihr? Mir scheint eher, ich habe es in Schutt und Asche gelegt. Soll ich darauf auch noch stolz sein, Torbas?«
»Damit haben wir ein größeres Blutvergießen verhindert, den Gegner ins Leere laufen lassen und ihm ernste Nachschubprobleme beschert. Und der dritte Verteidigungsring, den Ihr zum Schutz der Burg errichten lasst, ist auch so gut wie fertig. Eure Befehle zeugen von großer Umsicht, Majestät, und im Übrigen muss ich Euch auch nicht erklären, was ein strategischer Rückzug ist. Darin seid Ihr der Meister, nicht ich.«
»Soll das eine Anspielung auf meine Flucht aus Pandor sein?«
Der hünenhafte Waffenmeister versuchte in seinem Stuhl eine bequemere Position zu finden, was ihm nur ansatzweise gelang, weil die runde Lehne zu niedrig, die Sitzfläche zu klein und das Langschwert an seiner Hüfte zu groß war. Das Möbel knarzte bedrohlich. Torbas’ Miene blieb ausdruckslos. »Verzeiht meine Direktheit, aber mir scheint, es gefällt Euch, im Selbstmitleid zu baden. Ihr seid doch gar nicht in der Hauptstadt gewesen, als Euer Vetter den Thron an sich gerissen hat. Ihr ward schlau genug, nicht in seine Falle zu gehen.«
»Entrin ist auch kein Dummkopf. Schließlich verhindert er seit einem Dutzend Jahren meine Rückkehr an die Macht.«
»Euer Vetter ist ein Schlitzohr, da gebe ich Euch Recht, skrupellos und machtgierig. Deshalb wird er sich auch nicht mit Pandorien begnügen, wenn er alle sechs Reiche unter seine Gewalt bringen kann. Er eifert seinem großen Vorbild Wikander nach. Ich kenne nur einen, der ihm Einhalt gebieten kann.«
»Ergil?«
Torbas lachte mit Totengräbermiene kurz und trocken auf, fast hörte es sich wie
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