Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Vergleich zum ruhigen Dahingleiten der Mondwolke die Reisenden einer ständigen Auf- und Abwärtsbewegung aussetzte.
»Haben wir sie abgehängt?«, fragte er.
Abgesehen vom Steuermann wandten ihm alle ihre Gesichter zu.
»Sieht so aus«, antwortete Tusan.
»Man soll den Tag nie vor dem Abend loben«, bemerkte Tiko.
»Aber es ist doch Abend«, jammerte Popi.
»Ich könnte zurückfliegen und mich mal umsehen«, schlug Schekira vor.
Niemand antwortete.
Irgendwie erwarteten alle, dass nun Harkon oder Ergil etwas zum allgemeinen Mutmachen beitrugen, aber der Steuermann saß nur in sich versunken da und blickte durch die Gallerte nach draußen und der Abenteurer zwirbelte sich den Schnurrbart. Unvermittelt holte Letzterer dann aber doch Luft.
»Hatte ich schon erwähnt«, begann er und verursachte damit ein allgemeines Aufstöhnen, weil er auf diese Weise vornehmlich unangenehme Neuigkeiten anzukündigen pflegte, »dass Wolkenquallen nur einmal täglich zu fressen pflegen?«
Tusan kniff das rechte Auge zu. »Was willst du uns damit sagen, Harkon?«
»Sie äsen gewöhnlich bei Sonnenuntergang.«
Popis Gesicht, das gerade wieder eine gesündere Farbe bekommen hatte, wurde bleich. »Also jetzt?«
»So ungefähr.«
»Äsen?«, fragte Tiko.
»Sie fressen vorzugsweise frisches Grün: Gras, Laub, Feldfrüchte…«
»Die Argo landet«, unterbrach Ergil die Aufzählung.
Alle Köpfe ruckten zu ihm herum.
»Lässt sich das irgendwie hinauszögern?«, fragte Popi entnervt.
»Haben wir schon versucht. Aber der angeborene Fresstrieb ist stärker als unser Wille.«
»Wie pünktlich stellt sich der Heißhunger bei Wolkenquallen denn so ein?«, erkundigte sich Tusan bei Harkon.
»Sie äsen alle in der Zeit zwischen Sonnenuntergang und dem Ende der Dämmerung. Die größeren fressen länger als die kleineren.«
»Au Backe!«, sagte Popi.
Tusan sprach aus, was sein jüngerer Gefährte wohl eben gedacht hatte. »Unsere Argo ist aber deutlich massiger als die anderen Tiere. Das bedeutet dann wohl, wir sind noch längst nicht in Sicherheit.«
Die königliche Prunkqualle ließ sich auf einem Gurkenfeld nieder und begann umgehend mit der Ernte. Sie schien ziemlich ausgehungert zu sein, so wie sie das schlangenförmige Gemüse mit ihren Tentakeln in sich hineinschaufelte. Ein Großteil der Nahrung landete nicht sofort im Rachen, sondern wurde im Ring zwischengelagert.
Bald herrschte dort eine beklemmende Enge und die Gefährten mussten sich immer weiter vom Nebenhöhleneingang zurückziehen, um nicht unter dem Futter begraben zu werden. Obwohl sie an den saftigen Feldfrüchten ihren eigenen Hunger und Durst hätten stillen können, war ihnen der Appetit gründlich vergangen. Durch die Zwangspause schmolz ihr so mühsam erkämpfter Vorsprung wieder dahin.
Weil die Nacht zwischenzeitlich der Abenddämmerung das Licht abgegraben hatte, leuchteten die Verfolgerquallen wie hübsche Lampions am Himmel. Und kamen dabei bedrohlich nahe. Wie vermutet, mussten sie früher mit dem Fressen aufgehört haben, um nun, satt und ausgeruht, der größeren und jetzt auch erheblich schwereren Argo weiter nachzujagen.
Die Zeit zog sich zäh wie Xkschleimfäden dahin. Ergil konnte tun, was er wollte, der Abstand schrumpfte unaufhaltsam weiter. Als nur noch zwei- oder dreihundert Fuß zwischen der Argo und dem nächsten Verfolger lagen, stellte er sich auf eine unangenehme Begegnung ein.
»Das gibt wieder eine Bruchlandung«, jammerte Popi von seinem Spähposten aus.
Der König blieb stumm.
»Er hat Recht. Wir müssen uns zur Wehr setzen«, sagte Tusan.
»Du meinst, ich soll uns verteidigen«, brach endlich Ergil das Schweigen. »Was stellst du dir denn vor? Soll ich ihre Quallen zu Staub zerfallen lassen? Die Xk würden in die Tiefe stürzen und sich sämtliche Knochen brechen!«
»Da sei unbesorgt. Die Maden haben keine Knochen.«
»Tusan! Du weißt genau, was ich meine. Unsere Gegner sind keine von Magos verführten Wesen wie die Waggs. Es ist ihr gutes Recht, Quallendiebe zu verfolgen. Ich werde keinen Krieg anzetteln, um sie abzuschütteln.«
»Wenn du deine Mutter nicht rettest, erwartet uns Schlimmeres als ein Krieg.«
Ergil starrte seinen Freund mit offenem Mund an, aber ehe er etwas erwidern konnte, meldete sich erneut Popis Stimme.
»Es ist sowieso zu spät. Gleich haben sie uns eingeholt.« Der junge Ritter starrte gemeinsam mit Tiko durch die Gallerte nach draußen und schilderte auf Nachfrage des »Kapitäns«,
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