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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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für Kreationswissenschaft
    Der Watergate-Komplex

M ustafa wachte erneut auf, diesmal aus einem Traum von rauchlosem Feuer. Er lag in einem Himmelbett mit einem bestickten Himmel. Samir war eine schnarchende Ausbeulung in einem zweiten Bett zu seiner Linken, und zu seiner Rechten stand eine wuchtige eichene Kommode. Ein Schild auf der Kommode behauptete, alle drei Möbelstücke stammten aus dem Besitz Papst Urbans II. Das Zimmer selbst war ursprünglich ein Büro gewesen; zwischen den Pfosten seines Bettes konnte Mustafa eine Tür mit Fenster sehen, auf dessen Glasscheibe die Wörter ASSISTANT CURATOR in Spiegelschrift zu lesen waren.
    Er setzte sich auf, erinnerte sich an einen Helikopterflug vom Luftwaffenstützpunkt aus und ein Treffen mit einem Marineoberst Yunus, der dazu abkommandiert worden war, als ihr Gastgeber zu fungieren. Mustafa schätzte, dass er zwischen elf und Mitternacht eingeschlafen war. Laut seiner Uhr war es jetzt 11 Uhr 30, was, egal ob Tag oder Nacht, unwahrscheinlich erschien.
    Er stand auf und schlich leise hinaus. Der Korridor, an dem das Büro lag, führte ihn zu einem Saal, dessen Wände mit der Darstellung einer Sintflut bemalt waren. Drei Wände zeigten lediglich Wolken und Regen und windgepeitschte Wellen; halb in die vierte eingelassen war die verkleinerte Nachbildung einer Arche. Im Heck der Arche stand ein bärtiger weißer Patriarch, der zur Mitte des Saals starrte, wo ein zerklüftetes Piedestal wie der Gipfel eines ertrinkenden Berges aus dem blauen Teppich in die Höhe ragte. Auf das Podest montiert war das Skelett eines Dinosauriers mit sichelförmigen Klauen an den Hinterfüßen, in einer Haltung, als wäre es im Begriff, die Arche anzuspringen, aberdas Schildchen am Sockel des Piedestals gab Grund zu der Vermutung, dass es dazu nicht mehr in der Lage wäre. » Velociraptor antirrhopus «, erklärte das Schildchen. »Seit 2349 v. Chr. ausgestorben.«
    Ein Durchgang in der Wand gegenüber der Arche führte zu einem Ausstellungssaal mit den Knochen vieler weiterer Opfer der Sintflut. Der Saal hatte ein Oberlicht, und als Mustafa nach oben schaute, sah er Sterne.
    Er wanderte weiter durch das Museum und fand in einem Raum, der wie eine Touristik-Annonce für Giseh aussah, Oberst Yunus vor. »Guten Morgen«, begrüßte ihn der Oberst.
    »Dann ist es also Morgen«, sagte Mustafa.
    »Ja, gegen halb fünf. Haben Sie überhaupt geschlafen?«
    »Ein bisschen. Wir sind sehr behaglich untergebracht.« Und als er an den Velociraptor zurückdachte: »Und recht ungewöhnlich.«
    Der Oberst lächelte. »Ich weiß nicht, an wie viel Sie sich von unserem Gespräch gestern Nacht erinnern, aber dieses Gebäude ist wirklich ein Schatzhaus von Wundern. Während der Besatzungszeit wurde hier eine große Anzahl von Soldaten einquartiert, zum Teil, um Plünderungen vorzubeugen. Jetzt, wo die Amerikaner die Kontrolle wieder übernommen haben, ist das Museum weitgehend unbewohnt, aber ein paar von uns haben die Erlaubnis erhalten, als inoffizielle Hausverwalter zu bleiben, bis die neue Regierung genügend Geld haben wird, um den Laden wiederzueröffnen.«
    »Danke für die Gastfreundschaft.«
    »Keine Ursache. Ich wollte gerade beten. Möchten Sie sich anschließen?«
    »Gern, danke.«
    »Und Ihr Freund?«
    »Samir ist, fürchte ich, kein praktizierender Muslim.«
    »Aha. Nun«, sagte der Oberst und streckte den Fingeraus, »dort drüben ist ein Waschraum, und hinter Pharaos Palast finden Sie ein paar überzählige Gebetsteppiche.«
    »Sie beten hier drinnen?«
    »Manchmal, ja.« Wieder lächelnd: »Ich habe so eine Theorie, dass ein Muslim mitgeholfen haben muss, diesen Raum zu gestalten. Wenn man von der Sphinx aus eine gerade Linie zur Teilung des Roten Meeres dort drüben zieht, so entspricht sie fast haargenau der Qibla.«
    »Interessante Symbolik«, sagte Mustafa.
    »Ja, in der Grünen Zone findet sich jede Menge davon. Das ist ein seltsamer Ort.«
    Amal wachte inmitten von Löwinnen auf.
    Beim nächtlichen Treffen mit dem Oberst war sie noch hinreichend wach gewesen, um mitzubekommen, dass Mustafa und Samir Promi-Behandlung erhielten, während sie selbst ins Frauenquartier abgeschoben wurde, was sie geärgert hatte, bis sie merkte, mit was für Frauen sie zusammen schlafen würde.
    Die Frauen-Kampfunterstützungseinheit, auch bekannt als die Löwinnen, war 2007 im Rahmen einer umfassenderen Aufstandsbekämpfungsstrategie gebildet worden. Zusätzlich zu ihrer mangelnden Bereitschaft, Dankbarkeit

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