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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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zurückbehalten.
    »Und die anderen Männer, die du dabeihattest …?«
    »Sie waren neugierig, aber niemand hat etwas gelesen, was er nicht durfte. Außerdem«, konnte er sich nicht verkneifen hinzuzufügen, »spielt es sowieso keine Rolle. Sobald Gott die Fata Morgana aufhebt, werden alle die Wahrheit erkennen.«
    »Ja, aber bis dahin gibt es bestimmte Wahrheiten, die nicht an die Öffentlichkeit dringen dürfen … Was hast du sonst noch gefunden?«
    »Eine Staatsflagge von Texas. Die war in einem anderen Zimmer, das als Schlafsaal genutzt worden war. In einem Papierkorb lagen ein paar leere Tablettenfläschchen.«
    »Was für Tabletten?«
    »Die Fläschchen waren nicht etikettiert, aber ich würde vermuten, Valium oder irgendein anderes Sedativum«, sagte Bar Abbas. »Fast jeder hier nimmt irgendetwas, um schlafen zu können.«
    »Was noch?«
    »Nur ein paar Dinge des persönlichen Gebrauchs. Jemand muss ein Liebhaber von Grüne Wüste sein – unter einem der Betten habe ich eine CD mit ›Sohn von Kusch‹ gefunden.«
    »›Sohn von Kusch‹? Was ist › S ohn von Kusch‹?«
    »Alternativer Punkrock«, erklärte Bar Abbas, wodurch aber, nach Idris’ Gesichtsausdruck zu urteilen, nichts klarer wurde. »Keine Sorge, keines der Lieder handelt von Osama bin Laden.«
    »Wenn es Musik ist, solltest du es trotzdem vernichten.«
    »Schon geschehen«, log Bar Abbas. Er sah auf, als er eine Diele über seinem Kopf knarren hörte. »Ich muss jetzt gehen. Ich habe noch ein paar Vorbereitungen zu treffen.«
    »Du meldest dich wieder, wenn es vorbei ist?«
    »Wenn ich kann«, sagte Bar Abbas. »Wenn Sie nichts von mir hören, dann bedeutet es, dass Gott andere Pläne mit mir hatte.«
    Zur selben Zeit, nicht weit entfernt, kauerten zwei Jünger auf einem bewaldeten Kamm, der die Jeff-Davis-Mautstraße überblickte.
    Der Anführer der Jünger hieß Timothy. Er war groß und mager und blasser als jeder andere Mann, der je zu Füßen des lebendigen Christus gesessen hatte. Er trug eine Nachtsichtbrille und beobachtete mit ihrer Hilfe ein Trio von christlichen Milizionären, die gerade dabei waren, eine unkonventionelle Sprengvorrichtung in ein Abflussrohr, das die Fahrbahn unterquerte, zu platzieren.
    Er konnte nicht umhin, die Tapferkeit der Milizionäre zu bewundern. Sie trugen die reflektierenden Sicherheitsjacken echter Straßenbauarbeiter, und auf dem Mittelstreifen parkte ein Lastwagen der Dominion Wasser- und Stromversorgung, aber selbst wenn dies vielleicht vorbeifahrende Zivilisten täuschen konnte (oder ihnen zumindest eine Ausrede liefern, um sich dumm zu stellen), würde es ihnen gegen eine Militärpatrouille nicht den geringsten Schutz bieten. In der ersten Zeit des Aufstands, als auf den Dächern des D. C. Militärscharfschützen mit der Anweisung saßen, jeden zu erschießen, der nach Einbruch der Dunkelheit miteiner Schaufel oder einem Werkzeugkoffer in der Hand gesichtet wurde, hatten die Washingtoner Stadtwerke erschreckend viele Todesfälle unter ihren Außendienstmitarbeitern verbuchen müssen. Nach jahrelangen flehentlichen Bitten seitens der Bürgerschaft zeigten sich die Verteidiger der Hauptstadt mittlerweile etwas weniger schießfreudig, aber hier draußen in Virginia, in den Vororten, war die Jagd auf potenzielle Saboteure nach wie vor in vollem Gange – und statt eines sauberen Kopfschusses riskierte man hier eher, von einem Kampfhubschrauber mit einem Sprenggranatenteppich belegt zu werden und zerfetzt, aber noch bei Bewusstsein neben seinem brennenden Fahrzeug qualvoll und umständlich zu krepieren.
    Während die Milizionäre ein Kabel von der Bombe zu einer Antenne zogen, die an der Rückseite eines Leitpfostens befestigt war, ertönte von Osten her das Wummern von Rotorblättern. Die Milizsoldaten unterbrachen ihre Arbeit nicht, sahen nicht einmal hoch. Ein weiterer Beweis von Tapferkeit, oder vielleicht war es auch nur Fatalismus: Wenn der Helipilot sie ausgemacht hatte, waren sie schon jetzt so gut wie Märtyrer. Doch Minuten vergingen ohne einen tödlichen Granatenhagel, und das Geräusch der Rotorblätter entfernte sich allmählich. Nicht lange danach war die Arbeit erledigt; die Milizionäre stiegen wieder in den Lastwagen und fuhren davon.
    »Schön.« Timothy stand auf und streifte sich die IR-Brille ab. »Dann wollen wir mal.«
    Der andere Jünger blieb sitzen. »Also, ich weiß nicht.«
    »Da gibt’s nichts zu wissen. Du hast die Befehle des Direktors gehört.«
    »Und was, wenn der

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