Mirage: Roman (German Edition)
Marine-Scharfschützen, die sich in den Bäumen jenseits der Mauer versteckten, ließen sie fast ganz herankommen und schalteten dann alle Leibwächter auf einmal aus. Der Milizenführer blieb abrupt stehen und starrte die plötzlich toten Männer vorwurfsvoll an, als wäre ihre Sterblichkeit der Beweis ihrer Inkompetenz.
Das Feuergefecht um das Haus endete Augenblicke später. Ein Soldat steckte den Kopf aus einem Fenster des Obergeschosses, streifte sich die Gasmaske ab und rief: »Alles gesichert!« Weitere Marineinfanteristen erschienen an den Seiten des Gebäudes.
Das Holztor öffnete sich. Umm Husam, Zinat und Amal betraten den Garten. Amal marschierte geradewegs auf den Milizenführer zu, der, noch immer inmitten seines Kreises von Leichen, empörte Blicke verschoss.
»Mr Rumsfeld«, sagte Amal. »Die Mütter und Töchter von Bagdad würden gern ein paar Takte mit Ihnen reden.«
Dschinn
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Ein Dschinn ist ein übernatürliches Wesen. Laut dem Heiligen Koran und den Hadithen schuf Gott die Dschinn aus rauchlosem Feuer, so wie Er die Menschen aus Lehm erschuf und die Engel aus Licht. Wie der Mensch, besitzen Dschinn einen freien Willen und sind somit sowohl zur Sünde als auch zur Hingabe an Gott fähig. »Und so: Von uns sind einige fromm und andre nicht, wir sind getrennter Wege.« (Koran 72. Sure, Vers 11)
Die Dschinn bewohnen ein Paralleluniversum, das den Augen der Menschen verborgen ist, während sie selbst uns sehen und sich – freiwillig oder unter Zwang – offenbaren können. Böse Dschinn können von menschlichen Meistern versklavt werden, während gute Dschinn ihre Dienste freiwillig anbieten können. Die Beschaffenheit und das Ausmaß ihrer Fähigkeiten sind umstritten, aber sie können nichts vollbringen, was dem Willen Gottes zuwiderliefe …
Die Dschinn in der abendländischen Mythologie
Im christlichen Europa und in den beiden Amerikas werden Dschinn als genies (Ausspr. »dschinnis«) oder ähnlich bezeichnet. Die abendländische Vorstellung von diesen Geschöpfen beruht vornehmlich auf Bearbeitungen einzelner Erzählungen aus › Tausendundeiner Nacht‹ , vermischt mit Elementen des außerarabischen Volksglaubens, so dem griechischen Mythos von König Midas .
Abendländische Erzählungen berauben Dschinn gewöhnlich ihrer moralischen Handlungsfähigkeit, indem sie sie in anthropomorphisierte »Wunscherfüllungsmaschinen« verwandeln. Die Wünsche missraten unweigerlich und resultieren für den Wünschenden in einer Tragödie oder einer bleibenden Demütigung. Wenngleich sie gemeinhin als Parabeln über die Gefahren der Hybris gelesen werden, vertritt der Literaturtheoretiker Edward Said die These, solche » genie -Erzählungen« dienten auch als Instrument der Propaganda zur Bekräftigung des abendländischen Autoritarismus : »Diese Botschaft, dass die natürliche Ordnung nicht manipuliert werden dürfe, fördert eine blinde Ehrerbietung den eigenen Führern gegenüber – gerade während dieselben Führer keine Scheu davor haben, der Welt ihr eigenes magisches Denken aufzuoktroyieren.«
S ie verließen den Andrews-Luftwaffenstützpunkt in Richtung Heimat am frühen Abend. Nach dem Abheben lehnte Mustafa den Kopf gegen das Fenster und sah Amerika nach, wie es über den Horizont wegkippte.
Amal war im Frachtraum und vernahm den Gefangenen. Genaugenommen wäre das Mustafas Aufgabe gewesen, aber in seiner extremen Verärgerung darüber, gefasst worden zu sein, hatte Donald Rumsfeld etwas preisgegeben, das er besser für sich behalten hätte: Er sprach Arabisch. Nicht gut und nicht freiwillig – aber Amal hatte ein Talent erkennen lassen, ihn zum Sprechen zu bringen, und den Wunsch geäußert, den ersten Versuch beim Verhör zu haben.
Der verwundete Marineinfanterist, Salim, schlief im hinteren Teil der Passagierkabine. Seine Anwesenheit in der Maschine ging ebenfalls auf Amal zurück, auch wenn Mustafa, der woanders gewesen war, als Amal und Umm Husam mit Oberst Yunus gesprochen hatten, keine Einzelheiten wusste.
Auch Samir schlief – oder tat so, als ob. Er hatte versucht, Mustafa gleich nach dessen Rückkehr in die Grüne Zone über das Gespräch mit dem CIA-Direktor auszufragen, aber Mustafa hatte ihn auflaufen lassen und gesagt, das könne er alles im offiziellen Bericht nachlesen. Samir war über Mustafas Schroffheit zunächst erschrocken gewesen, dann aber schien ihm ein wehmütiges Verständnis zu dämmern, und er nickte und sagte: »Ja, vielleicht ist es besser so …
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