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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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im Schlaflabor des Mount Carmel ein Artefakt, das mich an Hanks Theorie erinnerte. Ich zeigte es dem Wachteljäger nicht. Ich legte es in ein Geheimversteck zu anderen Artefakten, die ich aus dem einen oder anderen Grund zurückbehalten hatte. Und letzte Woche, als ich träumte, dass Sie hierherkamen, grub ich es aus.« Er griff in die Schreibtischschublade.
    Es war ein weiteres Foto. Es zeigte eine Ausgrabungsstätte irgendwo in der Wüste. Zwei grinsende Männer standen, die Arme einander um die Schultern gelegt, in einer flachen Grube. Der eine von ihnen war ein Blonder in einem grauen ARMY-T-Shirt. Der andere war Mustafa, oder eine Version von ihm, mit einem rot-weiß-blauen Tuch um den Kopf.
    Im Vordergrund war eine Decke ausgebreitet, auf der eine Vielfalt von Gegenständen lag: eine kleine Tonurne, ein Durcheinander von Keramikscherben, die rostige Hülse eines Artilleriegeschosses, ein weiteres rostfleckiges Artefakt, bei dem es sich um ein altes Bajonett handeln konnte, und ganz rechts, leicht abgesetzt, eine verstöpselte Messingflasche.
    »Läutet da bei Ihnen etwas?«, fragte David Koresh. Mustafa gab keine Antwort; er hatte das Foto auf seinen Schoß fallen lassen und klammerte sich mit beiden Händen an die Sofapolster. »Nun«, fuhr Koresh nach einem Augenblick fort, »ich habe noch ein paar andere Dinge für Sie. Ich gehe sie eben holen, und dann wird Timothy Sie in die Grüne Zone zurückfahren.«
    »Was?« Mustafa schaute auf, klammerte sich aber weiter am Sofa fest. »Warten Sie. Ich habe noch weitere Fragen …«
    »Da bin ich mir sicher«, sagte David Koresh. »Aber keine Sorge. Gott lässt Sie nicht aus den Augen.«
    Der Junge auf dem Dreirad hatte wieder gehalten, um zu horchen. Diesmal war das Geräusch – Dieselmotoren, die rasch näher kamen – so beschaffen, dass selbst erwachsene Ohren es hören konnten.
    Ein Mehrzweckfahrzeug bog schwungvoll in die Straße ein. An seine Schnauze war ein keilförmiger Stahlpflug montiert, wie der Schienenräumer an einer Dampflok in Gilead. Zwei weitere MZF mit Maschinengewehren auf dem Dach folgten ihm. Dann hielt ein Truppentransporter quer vor der Straßenzufahrt, und mit Gewehren bewaffnete Soldaten begannen herauszuspringen.
    Der Junge auf dem Dreirad schaute ehrfurchtsvoll zu, wie die MZF vorüberdonnerten. Der Torwächter sprach hektisch in sein Funkgerät und griff dann nach seiner Pistole, aber ein MG mähte ihn nieder, bevor er einen Schuss abgeben konnte. Die Tür eines Hauses ein Stück weiter die Straße entlang flog knallend auf, und ein Mann kam auf seine Veranda gestürzt. Ein Feuerstoß aus einem Sturmgewehr warf ihn wieder ins Haus zurück.
    Ein Lautsprecher auf dem Truppentransporter begann, eine aufgezeichnete Mitteilung hinauszuplärren: »BLEIBEN SIE IN IHREN HÄUSERN! … BLEIBEN SIE IN IHREN HÄUSERN! … DIES IST EINE POLIZEIAKTION! … BLEIBEN SIE IN IHREN HÄUSERN!« Die Soldaten gaben Warnschüsse auf ein paar weitere Häuser ab.
    Das vorderste MZF krachte durch das Tor und rollte auf den Rasen des Kolonialhauses. Die übrigen MZF zogen nach und blieben zu dessen beiden Seiten stehen, und die MG-Schützen töteten zwei weitere Wachen, die auf dem Balkon über der Eingangstür des Hauses gestanden hatten.
    Während die Soldaten von den MZF absaßen, eröffneten andere Milizkämpfer von den Obergeschossfenstern und den Dachgauben aus das Feuer auf sie. Die Milizionäre versuchten, immer nur kurz aus der Deckung zu kommen, aberdie Holzwände des Kolonialhauses hätten ebenso gut aus Pappe sein können bei dem geringen Schutz, den sie boten, und so kamen sie in der Regel nur ein, höchstens zwei Mal zum Schuss, bevor sie getötet wurden. Trotzdem, es gab reichlich von ihnen, und die Soldaten waren vorsichtig – da sie hofften, Gefangene zu machen, konnten sie nicht einfach das ganze Gebäude zusammenschießen. Sie suchten sich ihre Ziele sorgfältig aus und warfen zwischen einzelnen Feuerstößen Tränengasgranaten durch die Fenster.
    Während seine Männer ihr Leben opferten, um die Soldaten aufzuhalten, floh der Milizenführer durch die Hintertür aus dem Haus. Der Überfall hatte ihn unter der Dusche überrascht, und er kam in einem feuchten Bademantel heraus, das graue Haar unter einer blauen Duschhaube versteckt, auf der Nase eine beschlagene Brille. Seine Leibwächter bildeten einen schützenden Kreis um ihn, und so liefen sie auf ein hölzernes Tor in der Mauer zu, die den Garten nach hinten zu abschloss.
    Die

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