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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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hinein. Mustafa zog sie ein Stück heraus und schielte auf den Schriftzug auf ihrer Seite: Xbox 360.
    Hinter ihnen ertönte das Geräusch einer Vorderschaftrepetierflinte, die durchgeladen wurde. »Keine Bewegung!«, sagte eine Stimme. Die Worte waren arabisch, aber der Akzent klang amerikanisch – und die Stimme vertraut.
    Mustafa sprach, ohne nachzudenken: »Captain Lawrence?«
    »Langsam aufstehen«, sagte die Stimme. »Jetzt alle umdrehen. Langsam.«
    Das T-Shirt des Captains war zerrissen und blutig, undvon seinem linken Ohr fehlte ein Stück, das ihm einer seiner sterbenden Bewacher abgebissen hatte. Als er ihn ansah, verspürte Mustafa ein seltsames Gefühl der Verdopplung . Er meinte , diesen Mann zu kennen, jahrelang mit ihm zusammengearbeitet zu haben. Er wusste , dass er diesen Mann nicht kannte; sie waren sich noch nie begegnet. Nicht in diesem Leben.
    Ohne auf eine Aufforderung zu warten, schob sich Mustafa die Schutzbrille in die Stirn und zog den Lappen herunter, der ihm Nase und Mund bedeckte. Der Captain senkte die Schrotflinte. »Mustafa?«
    »Hallo, Captain Lawrence«, sagte Mustafa. »Wie kommt die Operation Iraqi Freedom voran?«
    Am Fenster des Gebetszimmers waren die Läden gegen den Sturm geschlossen, und das Sandmuster auf dem Fußboden war neu gezeichnet worden. Ein schwarzer schmiedeeiserner Stuhl hielt den gefangenen Dschinn im Zentrum des Kreises fest. Saddam stand dem Dschinn gegenüber, während Herr Rammal um beide seine Bahnen zog. Der Zauberer hatte einen spitzen Hut aus Silbergarn aufgesetzt, und während er, die Messingflasche vor sich haltend, den Sandkreis umrundete, murmelte er Bannsprüche in der toten Sprache Babylons.
    Zeugen des Rituals waren, die Gesichter von flackerndem Fackellicht beleuchtet, Qusai, Udai, Abid Hamid Mahmud, Tariq Aziz und ein halbes Dutzend Rep-Gardisten. Die Gardisten blieben gelassen – alle außer einem, dem bei dem lästerlichen Tun, das hier veranstaltet wurde, zunehmend unwohler wurde und der schließlich den Mund öffnete, um zu protestieren. Doch Udai brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.
    Herr Rammal vollendete den neunten Umgang. Er nahm seinen Hut ab und reichte die Flasche Saddam, der sie in beide Hände nahm und sie wie ein Neugeborenes wog.
    Saddam Hussein sprach zu dem Dschinn: »Bist du bereit, meine Befehle zu befolgen?«
    Der Dschinn erwiderte friedfertig seinen Blick. »Sag mir, was du willst.«
    Saddam gab Herrn Rammal die Flasche zurück und schnippte mit den Fingern. Abid Hamid Mahmud trat vor und händigte ihm einen Globus aus. Saddam zeigte ihn dem Dschinn. Jemand hatte die Weltkugel mit schwarzem Filzstift überarbeitet, hatte Grenzverläufe verändert und Staaten umbenannt. »Ich habe auch Notizen dazu«, sagte Saddam und klopfte gegen die Brusttasche seiner Uniform. »Vielleicht möchtest du sie durchlesen.«
    Der Dschinn bewegte seine Handgelenke unter den eisernen Schellen, die ihn am Stuhl fixierten. »Nicht nötig«, sagte er. »Ich glaube, ich verstehe. Du möchtest wieder ein Herrscher sein. Arabien wird das Zentrum deiner Macht sein. Von dort aus werden deine Armeen losmarschieren und Persien und Indien, Europa und Amerika und den ganzen Rest der Welt unterwerfen. Deine alten Feinde werden aufgestöbert und in Ketten zu dir gebracht werden, vor deinen Augen gedemütigt. Und du wirst der König aller Könige sein, jetzt und in alle Ewigkeit. Kommt das in etwa hin?«
    Saddam grinste. »Das dürfte für den Anfang reichen.« Er warf den Globus wieder Abid zu und breitete die Arme aus, um seine Zukunft zu umfangen. »Du hast meinen Wunsch gehört«, sagte er. »Jetzt erfülle ihn mir! Ich befehle es dir!«
    »Also gut«, sagte der Dschinn. »Meine Antwort ist Nein.«
    Die drei Gardisten standen Schulter an Schulter am Fenster des vorderen Torhauses und spähten hinaus in den Sturm.
    »Das ist nicht natürlich«, sagte der erste Gardist.
    »Leck mich, das ist nicht natürlich«, sagte der zweite.
    »Schau doch, wie dunkel es wird!«
    »Kacke, das ist ein Sandsturm, du Arschloch!«
    »Ja, und das Ding da oben im Haus ist dafür verantwortlich! Abu Ramzi hat mir gesagt …«
    »Abu Ramzi ist ein Idiot!«
    »Haltet beide die Klappe«, sagte der dritte Gardist, der nicht in den Himmel, sondern auf die Straße sah. »Da draußen ist jemand.«
    »Wo? Ich sehe keine Scheinwerfer.«
    »Nicht in einem Auto. Männer zu Fuß.« Er ergriff sein Gewehr. »Ruf das Haupthaus an und melde, dass wir hier möglicherweise Eindringlinge

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