Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff

Vom Netzwerk:

entgegengetreten, ohne zu zögern.«
    »Und das findest du bewundernswert?«
    »Ohne Furcht zu handeln ist ein Aspekt der Gerechtigkeit.« Idris schenkte sich Tee nach und fuhr dann fort: »Weißt du, diese Theorie, die Faruk hat, deine Schuldgefühle wegen des Todes deiner Frau hätten dich selbstmordgefährdet und waghalsig gemacht – ich glaube nicht, dass sie stimmt. Ich glaube, du bist schon immer waghalsig gewesen.«
    »Ich frage noch einmal: Das findest du bewundernswert?«
    »Du bist vom Weg abgekommen«, sagte Idris. »Du bist irgendwo falsch abgebogen und befindest dich jetzt nicht da, wo du sein solltest. Tief in deinem Herzen weißt du das. Aber zu Gottes Pfad zurückkehren ist ein schlichter Willensakt, und du hast einen starken Willen. Du könntest ein formidabler Gotteskrieger sein, wenn du nur wolltest. Wir könnten dir dabei helfen.«
    Mustafa schüttelte ungläubig den Kopf. »Du bietest mir an, al-Qaida beizutreten?«
    »Überrascht dich das?«
    »Es verwirrt mich.«
    »Warum?«
    »Du sagst, weil ich einmal gegen dich aufgestanden bin, möchtest du jetzt mein Mentor in Gerechtigkeit sein. Ich finde diese Logik … nicht einsichtig.«
    »Ich bin nicht der Schläger, als den du mich kennengelernt hast«, sagte Idris. »Ich bin erwachsen geworden. Afghanistan hat mich verändert. Die Arbeit mit Senator Bin Laden hat mich noch mehr verändert. Du solltest ihn wirklich kennenlernen, Mustafa. Er ist ein großer Mann, ein wahrer Soldat Gottes. Er hat Pläne für Arabien.«
    »Das glaube ich dir aufs Wort«, sagte Mustafa. »Aber ich bezweifle, dass in diesen Plänen ein Platz für mich ist.«
    »Mustafa …«
    »Lass uns für einen Moment auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und über einen anderen Gotteskrieger reden.«
    »Welchen?«
    »Gabriel Costello.«
    Idris runzelte die Stirn. »Er war kein Gotteskrieger.«
    »Du weißt, was ihm zugestoßen ist.«
    »Ja.« Außerstande, ein kleines Grinsen zu unterdrücken, sagte Idris: »Er hat sich umgebracht.«
    »Ich glaube, wir wissen beide, dass das nicht wahr ist«, sagte Mustafa. »Costello wurde ermordet.«
    »Davon weiß ich nichts. Selbst wenn er sich nicht das Leben genommen haben sollte – der Mann war ein Feind Gottes. Einen solchen Menschen zu töten ist kein Mord.«
    »Da bin ich anderer Meinung.«
    »Ach ja?«, sagte Idris. »War es etwa Mord, als du diesen Lutheraner erschossen hast?«
    »Martin Hoffmann stellte eine unmittelbare Bedrohung für das Leben einer unschuldigen Frau dar«, sagte Mustafa. »Gabriel Costello war ein unbewaffneter Gefangener, seinen Mördern hilflos ausgeliefert.«
    »Der Mann verdiente es zu sterben.«
    »Habt ihr ihn getötet, weil er es verdiente oder damit er nicht reden konnte?«
    »Ich …«, sagte Idris und unterbrach sich dann. »Ich verstehe dich nicht. Wie kannst du auch nur einen Gedanken an diese Terroristen verschwenden?«
    »Dieselbe Frage habe ich mir in letzter Zeit häufig gestellt«, sagte Mustafa. »Ich glaube, die Antwort ist, dass es mir dabei nicht sosehr um die Terroristen geht; Gedanken mache ich mir um eine Welt, in der Mord immer mehr zu einer Banalität wird. Du hast natürlich recht, ich bin vom Weg abgekommen. Aber wenn du die Natur meiner Verfehlung bedenkst, wirst du vielleicht begreifen, warum ich mich scheue, menschliche Leidenschaften für den Willen Gottes zu halten. Also nein«, schloss er, »ich glaube nicht, dass ich einen guten al-Qaida-Rekruten abgeben würde.«
    »Dann greife ich mein erstes Argument wieder auf«, sagte Idris, »nämlich, dass es unklug von dir wäre, dich gegen uns zu stellen. Das ist keine Drohung, sondern ein Versprechen: Wenn du diese Ermittlung zu verbissen vorantreibst, wird sie ein böses Ende nehmen – für dich und für jeden in deiner Umgebung.«
    »Wir müssen beide tun, was wir für richtig halten«, sagte Mustafa. »Wie es endet, liegt in Gottes Hand. Aber vergiss nicht, Idris, du bist nicht Gott. Ebenso wenig ist es dein Herr und Meister.« Er stand auf. »Friede sei mit dir.«

Zeitehe
----

    Eine Zeitehe ist eine Ehe von vorab vereinbarter begrenzter Dauer. Nach Ablauf der vereinbarten Frist haben der Mann und die Frau die Option, die Zeitehe um eine weitere begrenzte Frist zu verlängern oder sie in eine Dauerehe umzuwandeln; wenn sie sich gegen beide Möglichkeiten entscheiden, ist die Ehe automatisch aufgelöst, ohne dass eine formelle Scheidung nötig wäre.

    Juristischer und gesellschaftlicher Status einer Zeitehe
    Wenngleich von der