Mirage: Roman (German Edition)
sei, etwas Sportlichem …«
»Was hatten Sie für einen Grund, das ihm gegenüber zu erwähnen?«
Sie zuckte die Achseln. »Das ergab sich einfach so im Lauf des Gesprächs. Und er sagte, na ja, er hätte Freunde, die Autos besorgen könnten, gute Autos, zu einem sehr günstigen Preis …«
Samir lachte rüpelhaft, hielt sich dann die Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken.
»Wussten Sie, dass dieser Mann ein Krimineller war?«, fragte Mustafa sie.
»Na ja«, sagte Nur. »Er hat sich natürlich nicht als solcher vorgestellt, aber …«
»Aber Sie wussten es. Dann müssen Sie auch gewusst – oder vermutet – haben, dass er anbot, Ihnen ein gestohlenes Fahrzeug zu besorgen.«
»Ich wusste, dass es ein Geschäft sein würde, bei dem man keine Fragen stellt.« Sie seufzte. »Und ich weiß, es war idiotisch, aber ich brauche wirklich ein Auto, also habe ich ihm meine Nummer gegeben … Aber wie sind Sie daran gekommen? Haben Sie ihn wegen irgendwas verhaftet?«
Mustafa erzählte ihr, was passiert war. Nur war betroffen – dies umso mehr, als Samir eine detaillierte Schilderung von Ghazis Ableben beisteuerte –, aber aus ihrer Reaktion ging klar hervor, dass sie erstens nichts mit dem Mord zu tun hatte und es zweitens die Wahrheit war, dass sie den Mann gerade erst kennengelernt hatte. Ghazis Tod stellte keinenpersönlichen Verlust für sie dar, wie es beim Tod eines Geliebten der Fall gewesen wäre.
Sie sagte: »Es ist natürlich schade, dass er umgebracht wurde …«
»Würde ich nicht so sagen«, sagte Samir.
»… aber ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen könnte.«
»Sie sagten, er kam zum Sender, um Fragen zu beantworten«, sagte Mustafa. »Wissen Sie, worum es bei dem Gespräch ging?«
»Nein. Glauben Sie, es könnte was damit zu tun haben, warum er umgebracht wurde?«
»Wäre möglich.«
»Ich könnte Ihnen den Namen und die Telefonnummer des Produzenten der Sendung geben.«
»Bitte«, sagte Mustafa. Er zeigte auf den Zettel, auf dem ihre Telefonnummer stand. »Warum schreiben Sie sie nicht einfach da auf die Rückseite?«
»Natürlich.« Ihr Lippen rundeten sich zu einem wissenden Lächeln. »Ich gebe Ihnen auch meine Nummer in der Arbeit.«
»Das wäre äußerst hilfreich.«
Sie notierte die zwei Telefonnummern und gab ihm den Zettel zurück. Dann wurde ihr Lächeln unsicher, und sie fragte: »Muss ich mir Sorgen machen? Wegen meiner Sicherheit, meine ich.«
Samir sagte: »Eine allein lebende Frau, die Kriminellen ihre Privatnummer gibt? Ach was, Sie werden bestimmt steinalt werden.«
»Ich bezweifle, dass die Männer, die Ghazi getötet haben, irgendein Interesse an Ihnen haben«, sagte Mustafa. »Aber hier, nehmen Sie meine Karte … Sollte jemand Sie belästigen, können Sie mich anrufen.« Er hätte an dem Punkt aufhören sollen – hätte genau genommen schon vorher aufhören sollen –, doch er fügte hinzu: »Die Halal-Behörde versteigert in regelmäßigen Abständen konfisziertes Gut,einschließlich Autos. Die Tochter eines Schatzsuchers könnte da durchaus ein Schnäppchen machen. Ich könnte Sie informieren, wenn die nächste Auktion stattfindet.«
»Danke«, sagte Nur. »Ja, das wäre nett.« Samir, der mittlerweile an der Wohnungstür stand und endlich gehen wollte, räusperte sich geräuschvoll.
»Also dann«, sagte Mustafa. »Guten Abend.« Doch als er sich zur Tür wandte, hielt er inne und starrte in die Küche.
»Was ist?«, fragte Nur.
»Auf Ihrem Kühlschrank steht ein Babyfläschchen. Haben Sie ein Kind?«
»Ach, nein«, sagte Nur. »Das hat meine Freundin Khawwa vergessen.«
»Aha«, sagte Mustafa. Dann: »Hätten Sie gern Kinder?« Die Frage rutschte ihm einfach so heraus, und Mustafa war sich peinlich dessen bewusst, dass Samir ihm von der Tür aus einen langen komischen Blick zuwarf.
Doch Nur fand die Frage amüsant. »Nicht heute Nacht«, sagte sie lachend. »Eines Tages bestimmt … Aber ich hab’s nicht sonderlich eilig.« Sie lachte weiter und sah ihn dabei auf diese offene Weise an, die ihr eigen war, und Mustafa lachte mit, schüttelte den Kopf und fühlte sich wie der Idiot, der er tatsächlich war.
Samir räusperte sich noch einmal. »Können wir jetzt?«
Dieser Abend war der Anfang, genaugenommen auch gleichzeitig das Ende, denn auch wenn später noch viele Augenblicke kamen, in denen Mustafa einen anderen Weg hätte wählen können, hatte er sich, tief innen, bereits entschieden. Der Teufel hatte ihm ins Ohr geflüstert, er hatte
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