Mirage: Roman (German Edition)
Porträt war eigentlich gar nicht so übel, aber ein anderes, das Saddam als Jihad-Ritter zeigte, wie er Jerusalem gegen Richard Löwenherz verteidigte, kam Mustafa schon ziemlich grenzwertig vor. Und ein drittes Gemälde, in dem Saddam als spartanischer König Leonidas bei den Thermopylen der Streitmacht des persischen Großkönigs Xerxes die Stirn bot – das konnte nur ein Witz sein, oder aber eine Treueprüfung: Sieh dir das an, ohne zu kichern, und dir könnte eine Zukunft als Bürger der Republik beschieden sein.
»Hier entlang«, sagte Qusai. Er führte Mustafa durch einen Bogendurchgang in einen von Statuen gesäumten Korridor. Mehr historische Gestalten, alle mit dem gleichen schnauzbärtigen Gesicht, gemeißelt oder gegossen: Saddam als Gesetzgeber Hammurapi, Saddam als Gilgamesch, Saddam als Salmanassar, als Sargon, als Sanherib, Saddam als Ramses der Große …
Der Korridor mündete in eine überkuppelte Rotunde mit einem letzten Standbild in ihrem Zentrum. Dieser ultimative König ragte sieben Meter in die Höhe, und das Sonnenlicht, das durch Fenster in der Kuppel hereinflutete, ließ das Haupt des Monarchen wie Gold erglänzen. Doch als Mustafa der Versuchung nicht widerstehen konnte undsachte einen der fürstlichen Füße beklopfte, da hörte er weder Gold noch eine Mischung aus Eisen und Ton, sondern hohl tönendes Blech.
»Warten Sie hier«, sagte Qusai und ließ Mustafa in Nebukadnezars Schatten zurück. »Mein Vater wird in Kürze bei Ihnen sein.«
Während Qusais Schritte in der Ferne verhallten, hörte Mustafa ein leises monotones Geräusch. Er folgte ihm zu einem weiteren Bogendurchgang und spähte in ein Nebenzimmer, in dem ein Junge mit einer Flotte von Spielzeuglastern spielte. Der Junge war Europäer oder vielleicht Amerikaner und schien etwa fünf Jahre alt zu sein. Wie er den Kipplaster ständig hin und her schob und dabei lustlos w rumm-wrumm machte, hatte etwas Tristes an sich.
Eine Frau, die dasaß und den Jungen hütete, sah zu Mustafa auf. Mustafa nickte ihr zu, und als er sich abwandte, da kam ihm der König der Republik in natura entgegen.
Der Staatsanwalt in einem seiner Prozesse hatte Saddam Hussein als einen »Dorfschläger in Stadtkleidern« beschrieben. Er war ein grober Klotz von einem Mann, groß und stämmig, wie das Denkmal, das er sehnlichst zu werden wünschte. Er schwamm täglich soundso viele Bahnen, um sich in Form zu halten, und färbte sich Haar und Schnurrbart, um sein Alter zu verbergen. Informanten sagten, er habe ein Rückenproblem und hinke oft, wenn er gerade nicht im Licht der Öffentlichkeit stehe. Doch davon war jetzt nichts zu sehen – während er sich Mustafa näherte, blieb sein Schritt entschlossen und gleichmäßig, und er kanalisierte die Qual, die ihn das kosten mochte, in eine Miene liebenswürdiger Bedrohlichkeit, wie ein listiger alter Löwe, der herausgeschlendert kommt, um festzustellen, was sich da in seine Höhle verirrt hat.
»Willkommen in meinem Heim!«, sagte Saddam. Als er Mustafa die Hand reichte, zog sich sein Ärmel zurück und entblößte eine alte Banden-Tätowierung an der Außenseite seines Handgelenks. Er hatte einen kräftigen Griff, und während er Mustafa taxierte, drückte er dessen Hand so fest, dass es beinahe weh tat. Mustafa, dessen Schwindelgefühl noch immer jede Angst überdeckte, führte seinerseits eine Gegeneinschätzung durch und entschied, dass die beste Vorgehensweise respektvolle Offenheit sein würde.
»Mustafa al-Bagdadi«, sagte Mustafa. »Danke, dass Sie mich empfangen.«
»Es ist mir ein Vergnügen, behilflich sein zu können. Ich gehe davon aus, dass ich mich nicht vorzustellen brauche, aber um Ihrer nächsten Frage zuvorzukommen: Haben Sie keine Scheu, mich mit Saddam oder Onkel anzureden. Viele meiner Gewerkschaftsbrüder ziehen Letzteres vor.«
»›Onkel‹ käme mir, fürchte ich, nur schwer über die Lippen. Ich bin kein Baath-Mitglied.«
»Aber Sie sind Iraker!«, sagte Saddam. »Ich betrachte alle Iraker als Ehren-Baathisten.«
»Tja«, sagte Mustafa, »wie man Ihnen vermutlich schon gesagt hat, bin ich außerdem ein ehemaliger Halal-Beamter, der neun Jahre lang versucht hat, Sie hochgehen zu lassen. Insofern wäre es wirklich nicht angebracht, mir diese bestimmte Ehre zu erweisen.«
»Ah, die Halal.« Saddam lächelte. »Eine putzige Organisation … Sind wir uns je begegnet, während dieser neun Jahre? Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«
»Ich war auf einigen Ihrer
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