Mirage: Roman (German Edition)
wenn er der Superspion Jafar Bashir gewesen wäre, hätte er das vielleicht wirklich durchgezogen, hätte es vielleicht sogar aus dem Haus geschafft, bevor er vom Rest der Republikanischen Garde niedergemetzelt worden wäre. Samir Nadim hätte von Glück sagen können, wenn er lebendig aus dem Zimmer gekommen wäre … immer angenommen, er hätte den Mut gehabt, es zu versuchen, was nicht der Fall war.
Mustafa, der Einzige, der keine Mordgedanken hegte, richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die Messingflasche. Er hatte sie, so gründlich es im fahrenden Taxi ging, untersucht. Sie enthielt nichts außer ein paar Sandkörnern und einem schwachen Duft nach Weihrauch. Als er am Flaschenhals schnüffelte, hatte Mustafa einen Unterton vonSchwefel bemerkt. Der Geruch hatte keine besonderen Erinnerungen wachgerufen, aber das Gewicht der Flasche in seinen Händen hatte sich seltsam vertraut angefühlt.
Mustafa hatte auch Iyad angeboten, sich die Flasche näher anzusehen, aber Iyad hatte kein Interesse mehr. Sobald sie Sadr-Stadt hinter sich gelassen hatten, fuhr er an den Straßenrand und forderte Mustafa und die anderen auf auszusteigen. »Und wenn du wieder mal eine Gefälligkeit brauchst, Vetter, versuch dein Glück beim Mukhabarat.« Mustafa fing keine Diskussionen mit ihm an, sondern neigte nur feierlich den Kopf und sagte: »Friede sei mit dir, Iyad.«
Als Iyad losfuhr, schlug Samir bemüht beiläufig vor, die Flasche ins Hauptquartier zu bringen und »sie untersuchen zu lassen«.
»Wonach denn untersuchen lassen?«, fragte Amal. »Sie ist leer.«
»Na ja, schon, da ist nichts drin, aber was, wenn das Ding selbst … ich weiß nicht, radioaktiv ist oder so?«
Amal lachte. »Wenn sie radioaktiv ist, dann plädiere ich dafür, sie so schnell wie möglich an Saddam weiterzureichen.«
Mustafa war Amals Meinung gewesen, also hatten sie ein anderes Taxi angehalten und waren direkt in die Republik gefahren. Und jetzt standen sie wartend herum, während Saddams Antikenexperte die Echtheit der »Batterie« überprüfte. Der Experte, ein knirpsiger Kurde, den Saddam als Herrn Rammal vorgestellt hatte, gebärdete sich eher wie ein Weissager als wie ein Archäologe: Er legte beide Hände auf die Flasche, schloss die Augen und murmelte leise vor sich hin. Als dieses Zauberritual, oder was immer es vorstellen sollte, abgeschlossen war, sah er hinüber zu Saddam und nickte.
»Ausgezeichnet!«, sagte Saddam.
»Sind Sie sicher?«, sagte Mustafa, der zu seiner eigenenÜberraschung die wenig konstruktive Hoffnung gehegt hatte, die Flasche würde den Test nicht bestehen.
»Natürlich sind wir sicher«, sagte Saddam. Er warf dem Kurden einen Blick zu, worauf der abermals nickte. »Wenn Herr Rammal zufrieden ist, bin ich es auch. Und Sie sollten es ebenfalls sein.«
»Ich meine nur, weil dieses Objekt nicht das ist, was ich erwartet hatte. Es enthält keinen Eisenstab, keinen Kupferzylinder …«
»Kupferzylinder?«
»Um den elektrischen Strom zu erzeugen. Wenn das wirklich eine Batterie ist, dann ist es eine kaputte Batterie.«
»Mustafa al-Bagdadi, Sie machen sich zu viele Gedanken«, sagte Saddam Hussein. Für einen Moment hob sich seine gute Laune wie ein Schleier und ließ eine gefährlichere Stimmung aufscheinen.
Dann lächelte er aber auch schon wieder. »Kommen Sie! Jetzt sollen Sie Ihre Belohnung haben!« Saddam wandte sich zur Wandkarte von Samarra und zog sie herunter, wodurch ein eingemauerter Panzerschrank sichtbar wurde. Er öffnete den Panzerschrank und entnahm ihm eine Karteikarte, die er Mustafa reichte.
»›V. Howell Industries‹«, las Mustafa von der Karte ab. »Das ist die Quelle der Fata-Morgana-Artefakte?«
»Das ist so nah an der Quelle, wie ich herangekommen bin«, erklärte Saddam ihm. »Meine Agenten haben mehrere Objekte in meiner Sammlung bis zu V. Howell zurückverfolgt. Ob die Firma die Quelle ist oder lediglich ein Glied in der Kette, kann ich nicht sagen.«
»Und diese Adresse: 1145 Jefferson Davis Pike, Herndon, Virginia …«
»Das ist ein kleines Gewerbegebiet.«
»In Fairfax County?«
»Ja. Von außen sieht der Betrieb kaum gesichert aus, aber kein einziger Spion, den ich losgeschickt habe, damit ersich die Sache genauer ansieht, hat sich je wieder zurückgemeldet.«
»Das ist also die heiße Spur?«, sagte Samir. »Ein Gewerbegebiet in Amerika?«
»Es ist mehr, als Sie hatten«, sagte Saddam. »Es ist mehr, als Bin Laden hat. Ich wette, al-Qaida würde viel für diese Adresse
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