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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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ihr ein Stück
Schokolade an, aber sie zögerte, es anzunehmen.
    »Warum denn nicht«, redete ich ihr gut
zu, »wir sind doch hier eine Familie!« Voller Freude schaute ich ihr zu,
während sie mich ohne jede Verlegenheit ansah und nicht einmal den Blick
senkte. War sie schüchtern oder gerissen?
    »Zuchra, gibt es viele wie dich im
Rif?«
    »Unzählige!« gab sie zur Antwort, als
merke sie nicht, worauf ich hinauswollte.
    »Aber wie viele von ihnen sind so schön
wie du?«
    Sie bedankte sich bei mir für die
Schokolade und ging. War sie schüchtern oder gerissen? Jedenfalls mußte ich sie
jetzt nicht unbedingt haben. Sollte sie sich nur etwas zieren und kokettieren.
Das war ihr gutes Recht. Schließlich hatte sie ja auch meine Komplimente für
ihre außerordentliche Schönheit verdient.
    Vergiß es, Sunnyboy, vergiß es!
    Ich betrachtete so lange
das alte Foto von Madame, daß sie schließlich lachend fragte: »Gefällt es
Ihnen?« Sie erzählte mir die Geschichte ihrer ersten Ehe, dann die der zweiten.
»Und wie finden Sie mich jetzt?«
    Ich sah auf die Adern, die an ihrem
Handgelenk hervorsprangen, und auf ihre grobe, großporige Haut, die mich an Fischschuppen
erinnerte, und erklärte: »Schön wie eh und je!«
    »Meine Krankheit hat mich vor der Zeit
altern lassen«, kommentierte sie ergeben. Dann, übergangslos: »Aber ist es
eigentlich klug, daß Sie Ihr Geld für ein neues Projekt riskieren wollen?«
    »Warum denn nicht?«
    »Und wenn der Staat es nun kassiert?«
    »Es gibt doch auch sichere Projekte!«
Da es sein konnte, daß sie ihren Kies zusammenkratzen wollte, witzelte ich:
»Wie war's denn, wenn wir unser Geld zusammenwerfen und gemeinsam etwas
Profitables starten?«
    Sie gab sich erschrocken und wehrte
lachend ab: »Ich? Oje, die Pension wirft knapp mein tägliches Brot ab!«
    Der Methusalem der Journalistik stieß
zu uns, in einen schweren Morgenmantel gehüllt. Ich fand ihn ganz munter trotz
seiner ekelhaften Vergreisung. Als wolle er meine und seine Situation
kommentieren, verkündete er:
    »Die Jugend sucht nach Abenteuern, und
das Alter preist das Wohlergehen.«
    Ich wünschte ihm eine gute Gesundheit,
da fragte er mich: »Sind Sie wegen eines Projekts nach Alexandria gekommen?«
    Da ich bejahte, fragte er weiter:
»Bemühen Sie sich ernsthaft um etwas?«
    »Ich habe jedenfalls das Nichtstun
tüchtig satt!«
    Er rezitierte den Vers:
    »Jungsein
und Geld und Müßiggang
    führen zum sicheren Untergang.«
    Aber ich verabscheue
Gedichte ebenso wie Gespräche über Zeugnisse und Diplome. In mir spürte ich das
Überlegenheitsgefühl eines turkmenischen Reiters vor einem Haufen Pöbel. Ja,
das Schicksal hat einigen von ihnen die Nase vergoldet. Dasselbe Schicksal, das
unser Licht hatte verlöschen lassen.
    Ich versuchte mich damit zu trösten,
daß Revolutionen außergewöhnlich sind wie Naturkatastrophen, und fühlte mich im
übrigen wie jemand, der ein Auto mit leerer Batterie starten will.
    Da erschien plötzlich ein uns noch
unbekannter junger Mann hinter dem Wandschirm und ging auf die Wohnungstür zu.
Madame lud ihn ein, sich zu uns zu setzen, und stellte ihn uns vor: »Monsieur
Mansur Bahi.«
    Sprecher bei Radio Alexandria. Wieder
einer mit Hochschuldiplom. Ein zartes, hübsches Gesicht, nicht sehr männlich.
Auch er einer vom Pöbel mit der vergoldeten Nase. In seiner Zurückhaltung lag
etwas, was mich reizte, ihm eine zu versetzen.
    Nachdem er gegangen war, fragte ich
Madame: »Wird er länger hierbleiben oder nicht?«
    Stolz entgegnete sie: »Er wird länger
bleiben, mein Lieber. Bei mir steigt niemand nur für kurze Zeit ab.«
    Zuchra kam von draußen mit einem
Plastikbeutel voller Lebensmittel. Ich schaute ihr gierig hinterher. Das Land
war voller Frauen, aber dieses Mädchen wirkte auf mich einfach sexy.
    Vergiß es, Sunnyboy, vergiß es!
    »So hast du dich also
doch noch verliebt?«
    »Ach wo! Das ist weder Liebe noch
Leidenschaft. Aber es handelt sich um ein wunderbares Mädchen. Noch dazu mein
eigenes Fleisch und Blut. Und ich möchte heiraten.«
    »Jedenfalls bist du ein junger Mann,
wie ihn sich jedes Mädchen wünscht.«
    Die Umm-Kulthum-Soiree
war selbst in der Pension Miramar ein Höhepunkt. Wir aßen, tranken und lachten.
Wir redeten über Gott und die Welt, sogar über Politik. Aber nicht einmal der
Alkohol konnte die Angst ausräumen. Amir Wagdi machte sich wichtig und trug uns
wie ein alter Volkserzähler Heldenmärchen vor, die er selbst erlebt haben
wollte. Dieser

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