Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
zurückzukehren. Wir werden sie nie wiedersehen.”
Skeptisch nickte Jack. “Ist das gut, Leo?”
“Oh ja, Jack! Das ist sehr gut.”
Jack sah jedoch den verkniffenen Zug um Leos Mund und dessen gequälten Blick und glaubte nicht, dass der Freund ganz ehrlich zu ihm gewesen war.
9. KAPITEL
Ormiston war im palladianischen Stil errichtet. Unwillkürlich überlegte Miranda, wie es sein mochte, in einem so hochherrschaftlichen Anwesen zu leben und die Hausherrin zu sein. Der Seelenschmerz, den sie nach diesem Gedanken empfand, war sehr groß. Sie redete sich jedoch ein, dass sie Leos Liebe nicht verlieren konnte, weil er sie nicht liebte. Das hielt sie sich immer wieder vor, während sie die Freitreppe hinaufging. Ein Mann wie er war es nicht wert, seinetwegen Kummer zu haben. Sich seinetwegen zu grämen, kam einer nicht nur gegen sie selbst, sondern gegen alle Frauen gerichteten Beleidigung gleich.
Der Butler ließ sie ins Haus, und in der Eingangshalle, einem Wunderwerk aus rotem Marmor, wurde sie von Clementina begrüßt. Einen Moment lang verdrängte sie das Gefühl der Erniedrigung und ihren sonstigen Kummer und murmelte: “Der Stil dieser Halle erinnert mich an Italien.”
“Mein Vorfahr, der dieses Haus hat erbauen lassen, hat sich einige Zeit in Italien aufgehalten”, erwiderte Clementina. “Der Marmor stammt aus Italien. Komm, Leo ist im Salon.”
Sehr beeindruckt folgte Miranda ihr. Sie hatte angenommen, dass diese Residenz sehr imposant sein würde, aber nicht solche Pracht erwartet. Irgendwie machte die Schönheit des Hauses Leos Verhalten noch schlimmer, einer hässlichen angeschlagenen Stelle an einem exquisiten Porzellangegenstand vergleichbar.
“Du siehst sehr hübsch aus”, sagte Clementina. Sie fand jedoch, dass Miranda ein bisschen blass war und ein wenig zu ernst wirkte. Sie war als Dame des Hauses jedoch viel zu erfahren, um zuzulassen, dass ihr strahlendes Lächeln schwand.
“Heute Abend sind wir nur eine kleine Runde. Leo hat darauf bestanden, dass du unser einziger Gast bist, unser Ehrengast.”
Beim Sprechen hatte sie Mirandas Hand gedrückt. Miranda konnte die Bedeutung dieser Gefühlsaufwallung nicht missverstehen. Clementina hoffte, dass ihr Bruder und Miranda die Differenzen beigelegt hatten, oder das tun wollten, und sie ihnen beiden bald zur Verlobung gratulieren konnte. Ungeachtet der Entschlossenheit, stark zu sein, traten Miranda Tränen des Zorns in die Augen. Ihr Gesicht war etwas gerötet, als habe sie Fieber.
Clementina fragte sich, ob Miranda krank sei, sprach die Frage jedoch nicht aus. Mit dem bevorstehenden Abend hatte sie große Hoffnungen verbunden, bekam nun jedoch starke Zweifel. Auch Leo benahm sich seltsam. Tags zuvor war er von seinem Besuch bei Miranda zurückgekommen, hatte von ihrem Charme geschwärmt und seiner Schwester seine anrührenden und bangen Hoffnungen für die Zukunft mitgeteilt. Er war nicht der selbstbewusste, zuversichtliche Mensch gewesen, den Clementina kannte. In seiner Unsicherheit hatte er beinahe verletzbar gewirkt. An diesem Abend hatte er sie jedoch sehr befremdlich angelächelt, sodass ihre Zufriedenheit prompt in sich zusammengesunken war, wie ein aufgeblasener Ballon, der ein Loch bekommen hatte und die Luft verlor. Denn Leos Lächeln war nicht mehr so wie am vergangenen Tag gewesen. Es ähnelte auch nicht mehr dem, an das sie gewöhnt war, seit er den Titel geerbt hatte. Nein, es war viel frostiger gewesen. Und als sie Leo in die Augen gesehen hatte, war ihr der Grund klar geworden. Der Ausdruck darin hatte sie schockierend an den Blick eines verletzten und verstörten Tieres erinnert.
Sie ließ ihrem Gast den Vortritt. Unbewusst straffte sich Miranda, betrat den Salon und sah inmitten der ganzen Pracht Leo stehen. Sogleich kam er auf seine Schwester und sie zu. Sie hatte sich wieder unter Kontrolle und war erneut in die Rolle der Stiefmutter geschlüpft. Sie sah ihn so gut wie ohne jede Gefühlsregung auf sie zukommen. Aber ihr Herz klopfte etwas schneller, und sie bekam feuchte Hände, was gewiss auf die warme Abendluft zurückzuführen war.
“Guten Abend, Adela.” Seine Stimme war ihr plötzlich so vertraut wie die eigene.
“Guten Abend, Leo”, erwiderte Miranda höflich. Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest. Und dann lächelte er sie an. Zumindest lag um seine Lippen ein Lächeln. Aber sein Blick war so kalt wie der Marmor in der Eingangshalle. Miranda fragte sich, was aus dem herzlichen, verführerischen Mann
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