Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
geworden sei, der sie tags zuvor geküsst hatte, dem Frauenhelden, vor dem sie von Mr Harmon gewarnt worden war.
“Du siehst sehr gut aus.” Die Bemerkung war vollkommen ausdruckslos gemacht worden, ganz so, als hätte er einen Text abgelesen. Nein, nicht einmal das traf zu, denn ein Schauspieler hätte beim Ablesen zumindest Gefühle vorgetäuscht. Leo hingegen ließ keinerlei Gefühl erkennen.
Dennoch lachte Miranda auf. “Danke, Leo. Ich würde es vorziehen, dass man sich meiner mehr meines modischen Geschmacks und weniger meines gesunden Menschenverstandes wegen erinnert.”
Das falsch klingende Lachen ließ Clementina zusammenzucken. “Ich habe Adela gesagt, dass sie heute Abend unser Ehrengast ist.”
Leo hatte den Blick nicht von ihr gelassen. Miranda war sich seiner Nähe sehr bewusst.
“Vielleicht wäre eine größere Gesellschaft dir lieber gewesen, Adela?”, fragte Leo. “Du bist die Art Frau, die ein großes Publikum braucht.”
Clementina war bestürzt. Leo verhielt sich äußerst unhöflich. Sie erwartete, dass Miranda ihm eine scharfe Antwort geben würde, doch die Freundin reckte nur kriegerisch das Kinn und lachte erneut so unangenehm gekünstelt auf.
“Natürlich! Ich trete gern vor Publikum auf. Je größer die Zuschauermenge, desto besser. Es ist so langweilig, wenn man bei einer Gesellschaft jeden Anwesenden kennt. Dann gibt es niemanden zu erobern, und mir fehlt das Gefühl, ein Abenteuer zu erleben. Wie du weißt, Leo, bin ich im Herzen eine Abenteurerin.”
Vor Zorn wurde er blass. Clementina schaute zwischen ihm und Miranda hin und her und merkte, dass ihr das Herz noch tiefer sank. Der Abend verlief überhaupt nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Es wäre untertrieben gewesen zu sagen, dass es zwischen Leo und Miranda ein Zerwürfnis gab. Aber Leos Glück stand auf dem Spiel.
“Ehe wir ins Speisezimmer gehen, möchte ich dir etwas zeigen, Adela”, sagte sie hastig.
Miranda wandte sich ihr zu und folgte ihr wortlos.
Das “Etwas” war ein großes, nachgedunkeltes Porträt eines Mannes in elisabethanischer Kleidung.
“Das ist der berühmte Urahn der Fitzgibbons”, murmelte Clementina. “Er hat ‘The Grange’ erbauen lassen.”
“Er war niemand, mit dem man sich anlegte, Adela”, sagte Leo hinter Miranda. Sie war sich seiner Nähe sehr bewusst, obwohl sie den Blick auf das Porträt gerichtet hielt.
Clementina lächelte. “Ja, er war ein ziemlicher Draufgänger. Und das ist seine Frau.”
Miranda betrachtete das kleinere Bild, das eine spitzgesichtige Frau mit blasser Haut und großen dunklen Augen zeigte, die flammend rotes Haar hatte.
“Oh!”
“Ja. Die Fitzgibbons hatten schon immer eine Schwäche für Rothaarige”, äußerte Clementina trocken. “Nicht wahr, Leo?”
Miranda ärgerte sich schrecklich. Clementina konnte nicht wissen, dass sie fast dieselben Worte gesagt hatte wie Mr Harmon.
“Zu unseren Lasten”, antwortete Leo. Er legte ihr die Hand auf die bloße Schulter. Seine Finger waren warm. Miranda zuckte zusammen. Die Berührung schien sie zu verbrennen, bis ins Mark zu erschüttern und alles das, was sie zu sagen und zu tun an diesem Abend vorhatte, ad absurdum zu führen. Leo hatte ihre Reaktion bemerkt und wusste nun, welches Gefühl er ihr vermittelte. Nun, das war bedeutungslos. Er würde nie imstande sein, ihre Gefühle für ihn ins Gegenteil zu verkehren. Das würde sie nicht zulassen.
“Hier entlang”, sagte Clementina.
Er ließ die Hand sinken. Miranda atmete auf. Sie folgte der Freundin und hatte den seltsamen Drang, über die Schulter zu sehen und noch einen Blick auf die beiden Porträts zu werfen. Clementinas Andeutung war klar genug gewesen. Die Geschichte würde sich wiederholen. Aber Clementina wusste nicht, dass ihr Bruder genauso schlimm war wie sein Urahn. Schlimmer! Denn sein Vorfahr war der Frau, die er geheiratet hatte, wenigstens treu gewesen. Leo hingegen war nicht dazu fähig, nur eine Frau zu lieben, und schon gar nicht, ihr treu zu sein.
Der arktische Winter, von dem seine Gefühle so viele Jahre lang beherrscht worden waren, hatte wieder eingesetzt. Frühling und Sommer waren sehr kurz gewesen und hatten nur einige Wochen gedauert. Leo wollte nicht mehr an die Verrücktheit denken, die ihn überkommen hatte, sondern nur daran, dass er sich jetzt in einer Situation befand, aus der er sich um jeden Preis befreien musste. Der fünfte Duke of Belford durfte nicht für einen liebeskranken Narren gehalten
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