Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
Vom Netzwerk:
die Panikanfälle in der Öffentlichkeit, das Unvermögen, sich auf veränderte Situationen einzustellen. Kleine Ablaufänderungen alltäglicher Handlungen hatten Wutanfälle zur Folge. Die Sprachstörungen wie Echolalie und das Verschwinden bereits erlernter Sprache, die Egozentrik und das zeitweise völlige Desinteresse an anderen Menschen, die Unfähigkeit Mimik zu lesen, der manchmal völlig leere Blick und die extreme Zurückgezogenheit, die uns Eltern so oft geängstigt hatten. Das häufige nicht unterscheiden können zwischen Familie und Fremden, diese Distanzlosigkeit. Später dann, im Schulalter, das übertriebene auf sich Beziehen von Aktivitäten anderer Menschen, das Gefühl belauscht oder beobachtet zu werden, auch das sich beschränken auf nur wenige Nahrungsmittel…
    All das war typisch für autistische Menschen.
    Also hatte ich mit meinem „Rainman“-Gedanken gar nicht so falsch gelegen. Ein Autist! Das also war definitiv die Erklärung für sein Verhalten. In Teilbereichen wie z.B. „abstraktes Denken“ lag sein IQ sogar über 130, erwähnte Frau Mertens. Dennoch lautete die Empfehlung des Psychiaters, ihn von der Lernbehindertenschule zu nehmen und eine beschützende Umgebung für ihn zu suchen. Das Lernen sei trotz seiner Intelligenz zweitrangig für ihn, viel wichtiger wäre die Stressfreiheit.
    Ich nahm einen großen Schluck Kakao und leckte mir die Sahne von der Oberlippe. Der Rum tat gut. Als ich weiter las, traute ich meinen Augen nicht! Die Familie Mertens bekam doch tatsächlich echte Probleme mit der Schulleitung der Lernbehindertenschule und sogar mit dem Schulrat! Diese wollten das fachärztliche Attest nicht anerkennen! Monatelang kämpfte die Familie um die Aufnahme in der Tagesbildungsstätte der „Lebenshilfe“ am Ort. In dieser Zeit musste der Junge weiterhin mit ärztlichem Attest vom Hausarzt von der staatlichen Schule befreit werden, ansonsten hätten die der Familie glatt die Polizei ins Haus geschickt wegen „Schulschwänzerei“! Ich war fassungslos.
    Erst im März des folgenden Jahres lenkte die Schulbehörde ein und der Junge konnte dann in der „Lebenshilfe“ beschult und therapiert werden.
    Dort war er wirklich am richtigen Ort, wie es sich bald zeigte. Er schaffte es sogar, seine „Nahrungspalette“ zu erweitern, fasste mehr Vertrauen in die Welt und konnte wieder lachen. Alle entspannten sich, das Leben wurde leichter. Sogar ein Hund wurde angeschafft.
    Im Sommer geschah etwas Erschreckendes, in einer Gewitternacht schlug mit gewaltigem Getöse ein Blitz in die Eiche neben dem Haus ein! Sie kippte um und beschädigte das Dach und zersplitterte das Fenster von Martins Zimmer. Er lag dennoch tief schlafend in all den Glassplittern und bekam erst was mit, als die Eltern ihn weckten und vorsichtig aus dem Bett hoben. Sie hatten nackte Füße, doch traten sie nicht in die Scherben, wie durch ein Wunder. Niemandem war ein Leid geschehen, aber dennoch…. Irgendetwas stimmte nicht!
    Frau Mertens schrieb:
    In dieser Nacht war noch etwas passiert.
    Etwas, was sich schwer beschreiben lässt und auch unglaubwürdig klingen mag. Ich hatte kurz das Empfinden gehabt, dass dieses Ereignis etwas „ankündigte“.
    Mir war für einen Moment, als ob das Raum-Zeit-Kontinuum sich verschoben hätte. Ein kurzes „Ruckeln“, so als wären wir jetzt in eine andere Bahn geraten, eine andere „Frequenz“.
    Ich kann es nicht besser beschreiben. Es war wie ein seitliches Verlassen des Körpers, für den Bruchteil einer Sekunde. Und dann war da ein Wissen, ein unbestimmtes Ahnen und Fühlen.
    Was hatte das zu bedeuten? Ich fand das unheimlich. Mein Kakao war inzwischen fast kalt geworden, weil ich so konzentriert gelesen hatte. Ich trank den Rest aus, stellte den Becher auf den Boden des Balkons und versuchte, dieses Empfinden, dieses „Ruckeln“ nachzufühlen. Es gelang mir nicht. Ich erinnerte mich daran, dass Frau Mertens nach Martins Geburt eine Art Geist-Erscheinung gehabt hatte. Konnte es sein, dass das ihre Art war, auf ungewöhnlichen Stress zu reagieren? Oder war es doch auf gewisse Weise „echt“? Das würde allerdings auch bedeuten, dass sie tatsächlich mit Elfen kommunizierte. Das hieße dann ja auch, dass Elfen (!) wirklich existierten! Ich nahm mir vor, Frau Mertens morgen darauf anzusprechen.
    Dann vertiefte ich mich wieder in diese Geschichte, die wirklich eine „Schatten und Licht“-Geschichte war. Monate vergingen. Das einzige Ungewöhnliche in der folgenden

Weitere Kostenlose Bücher