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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sie hot kane Gäst’, und was hat des, bittschön, mit an Vogel zum tun?«
    »Nein«, beeilte sich Bronstein um Konkretisierung seiner Frage, »ob es unter ihren … Klienten einen Mann gibt, der Stieglitz heißt oder den man zumindest so nennt.«
    »Mein Herr«, wurde die Hausbesorgerin mit einem Mal wieder förmlich, »ich achte nicht darauf, wer wann wo wie mit wem verkehrt. Das gehört nicht zu meinen Obliegenheiten.«
    Obliegenheiten? Die Person wurde Bronstein immer rätselhafter. Abgesehen davon, dass ihr Gesicht in vollkommener Ausdruckslosigkeit verharrte, wie er es zuvor nur im Kino bei Buster Keaton gesehen hatte, verstand sie sich offenbar darauf, ohne jeden Übergang vom Vokabular eines Droschkenkutschers zu jenem eines Regierungsrates zu wechseln. Und bei alldem blieb sie undurchdringlich wie eine Sphinx. Bronstein wusste nicht, ob er beeindruckt sein oder sich fürchten sollte. Jedenfalls war es vernünftig, sich zurückzuziehen, denn aus diesem Menschen war ohnehin keine brauchbare Information herauszuholen.
    »Na dann, wenn das nicht zu Ihren … Obliegenheiten gehört, dann darf ich mich empfehlen.« Bronstein stand auf und wandte sich zur Tür.
    Ohne, dass er sich erklären konnte, woher die Hausmeisterin plötzlich die Visitenkarte herbeigezaubert hatte, hielt sie plötzlich eine solche in der rechten Hand. ›Univ.Prof. Dr. Ernst Bachstez‹, las Bronstein darauf, ›Dozent für Augenheilkunde, erster Assistent der Wiener Augenklinik‹. Bronstein hob die Augenbrauen.
    »Das ist er, der Stieglitz. Die Karte hat er einmal im Stiegenhaus verloren. Sie können s’ gern haben. Ich brauch’ so a Graffelwerk ned.«
    »Wieso?« Es war Bronstein anzusehen, dass ihm die plötzliche Freundlichkeit suspekt war.
    »Wieso ned? Und jetzt auf Wiederschau’n.« Die Hausbesorgerin öffnete die Tür und blieb dabei wie festgewurzelt auf ihrem Platz stehen. Bronstein zwängte sich durch die enge Öffnung und atmete, kaum dass die Tür hinter ihm wieder geschlossen war, tief durch. Auftritte wie dieser waren irgendwie nicht von dieser Welt.
    Aber mit dieser Karte hatte er erstmals in dieser Sache einen Trumpf in der Hand, dachte sich Bronstein, und unwillkürlich musste er lächeln. Mit einem Mal hatte er eine Strategie, nach der er vorgehen konnte.
    Kurzentschlossen begab er sich in das zweite Geschoss und klopfte an die betreffende Tür. Eine sich lasziv gebende Frau Anfang 30 öffnete und sah ihn erwartungsvoll an.
    »Fräulein Degrassi, vermute ich.«
    »Wer lasst fragen?«
    »Äh … Privatdozent David … Pokorny von der Ophthalmologie.« Pokorny mochte es entschuldigen, dass er seinen Namen verwendete, in der Eile war ihm kein anderer eingefallen. Immerhin aber diente es einer guten Sache. »Mein verehrter Kollege Dr. Bach…, ach so, das darf ich ja nicht …, der … Stieglitz hat gesagt, ich könne hier auf meine … Kosten kommen.«
    Bronstein hoffte inständig, dass er den spießbürgerlichen Schweineigel überzeugend gegeben hatte. Auf die Art, wie er sich bei der Degrassi eingeführt hatte, musste die einfach glauben, er sei bloß ein weiterer alter Lustgreis, der sich an ihren Ausschweifungen erregen wollte. Tatsächlich kam die Frau ins Wanken. Sie musterte ihn von oben bis unten und schien sich zu fragen, ob jemand wie Bronstein wirklich ein Augenarzt sein konnte.
    »Sie müssen schon entschuldigen«, setzte Bronstein nach, »aber ich habe mir gedacht, mit dieser Kleidung falle ich nicht so auf.«
    Der Blick der Degrassi ruhte nach wie vor unverwandt auf ihm. Nach hinten aber rief sie: »Meisterin! Da ist einer, der sagt, er ist ein Freund vom Stieglitz.«
    Bronstein hatte kaum aus- und wieder eingeatmet, als die Kadivec selbst im Vorzimmer erschien. Obwohl sie, wie es hieß, erst knapp über 40 und somit in Bronsteins Alter war, sah sie reichlich verwittert und verlebt aus. Markante Furchen hatten sich in das Gesicht der Frau gekerbt, ihre Augen lagen tief in den Höhlen, und die streng zurückgekämmten Haare, die am Hinterkopf zu einem Haarkranz verknotet waren, vermochten die faltige Haut keineswegs mehr zu straffen. Die dünnen Lippen waren mit knalligem Rot bemalt, das einen merkwürdigen Kontrast zur blutleeren Weiße des Gesichts bildete. Die dürre Person verschränkte die Arme vor der Brust und meinte nur: »Was wollen S’?«
    »Wie ich schon Ihrer … Mitarbeiterin hier sagte, mein Kollege Stieglitz hat mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt, dass man hier … nun, …

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