Mischpoche
selbst zu erledigen. Er trank seinen Kaffee aus, zahlte und trat wieder auf die Straße. Dort hielt er ein Taxi an und ließ sich nach Ottakring chauffieren, wo er Pokorny aufsuchte. Als er leidlich vier Stunden später in sein Bett sank, war er rundum zufrieden. Er hatte alles perfekt vorbereitet und nichts dem Zufall überlassen. Die kommende Nacht würden Kadivec, Degrassi und ihre Kundschaft bereits hinter Gittern verbringen.
Und doch war Bronstein den ganzen Vormittag über extrem nervös. Seine Vorgangsweise war höchst unkonventionell, und wenn er einen Fehlschlag erlitt, dann würde das entsprechende Konsequenzen haben. Wozu setzte er sich solcher Gefahr aus? Warum gab er die ganze Sache nicht einfach an die zuständige Abteilung weiter? Sollten die sich doch mit der Kadivec herumschlagen! Doch dann stand er wohl bei der Grettler als Feigling oder zumindest als Großmaul da. Die kleine Brigitte fiel ihm wieder ein. Nein, es war seine Pflicht und Schuldigkeit, den Verbrechern selbst das Handwerk zu legen. Er ordnete seine Kleidung und machte sich auf den Weg.
Im Café versammelte sich die Einsatztruppe. Bronstein hatte vier Uniformierte vom nahe gelegenen Bezirkspolizeikommissariat bekommen und weitere vier Wachebeamte aus dem Präsidium. Er gab Anweisung, eine Viertelstunde nach ihm in das Haus zu gehen. Je zwei Mann sollten den Vordereingang und die Tür zum Lichthof besetzen, zwei sollten das Stiegenhaus bewachen. Pokorny aber erhielt die Aufgabe, sich weitere 30 Minuten später mit den verbliebenen zwei Polizisten Zugang zur Unterkunft der Kadivec zu verschaffen. Bronstein erkundigte sich, ob noch jemand Fragen hatte, dann verließ er das Lokal und wechselte auf die andere Straßenseite.
Punkt 12 Uhr stand er vor der Wohnungstür der Kadivec. Diesmal wurde er anstandslos eingelassen. Die Degrassi geleitete ihn in einen Salon, in dem bereits ein paar Herren versammelt waren, die Cognac-Gläser in der Hand hielten und Zigarren rauchten. Neugierig musterten sie den Neuankömmling.
»Das ist«, begann die Degrassi, um sich sogleich zu unterbrechen, »… wie wollen wir Sie nennen? … Ah, ich weiß.« Sie wandte sich an die anwesenden Herren: »Salomo.« Wie originell, dachte Bronstein. Nun, immerhin hatte sie sich seinen Vornamen gemerkt. »Und das sind Thespis, der General, der Kapitän, Solana und den Stieglitz kennen Sie ja.«
Bronstein zuckte zusammen. War sein Plan nun gescheitert? Bachstez fuhr herum und blickte schreckensstarr auf Bronstein, der sich redlich mühte, Bachstez in die Augen zu sehen. Zögerlich reichte er dem Mann die Hand: »Herr Kollege«, murmelte er. Bachstez wirkte verlegen, doch Bronstein vermochte nicht zu sagen, ob dies dem Umstand geschuldet war, dass er Bronstein nicht kannte oder weil es Bachstez unangenehm war, in einer solch delikaten Situation angetroffen zu werden. Doch jedenfalls war Bachstez die Sache so peinlich, dass er einfach Bronsteins Hand ergriff und so tat, als würden sie sich schon lange kennen. Bronstein war darob erleichtert. Die Degrassi würde keinen Verdacht schöpfen. Nun hatte er Gelegenheit, sich die anderen vier Männer aus den Augenwinkeln anzusehen. Der, welcher als Thespis vorgestellt worden war, erschien ihm sofort bekannt. Ein Schauspieler, daher wohl auch der Deckname. Er kam nur leider nicht darauf, wie er wirklich hieß und auf welcher Bühne er auftrat. Doch die anderen drei sagten ihm gar nichts. Der »General« mochte etwa zehn Jahre älter sein als Bronstein, doch er hatte nichts Militärisches an sich. Ebenso wenig der »Kapitän«, der ein junges Bürschchen von Mitte 20 war, sodass sich Bronstein unwillkürlich fragte, was so jemand hier suchte. Und »Solana« war überhaupt ein merkwürdiger Name. Was mochte er bedeuten? Bronstein bemühte verzweifelt sein Gedächtnis, allein, er kam auf keine Lösung.
»Wenn ich jetzt um den Unkostenbeitrag bitten dürfte!«
Degrassis nonchalante Erwähnung des finanziellen Aspekts der ganzen Angelegenheit riss Bronstein aus seinen Gedanken. Er zückte das Bündel Geldscheine, das ihm das Präsidium zur Verfügung gestellt hatte, und hielt es der Frau entgegen. Die sah es durch, nahm eine Summe, die offenbar ihren Tarifen entsprach, und drückte Bronstein den Rest wieder in die Hand.
»Dort hinten finden Sie Ihre Robe.« Dann drehte sie sich zu den anderen um: »Meine Herren. Bitte versammeln Sie sich in fünf Minuten im Saal.«
Bronstein beobachtete die anderen. Die würden sicher wissen,
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