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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Anlagemöglichkeiten, aber das gute alte Postsparbuch, das würde nie aus der Mode kommen. Egal, ob ein Kaiser, ein Diktator, ein Demokrat oder ein roter Politkommissar das Sagen hatte, Briefe schrieben sie alle, und darum brauchten sie die Post. Und deshalb brachte die allen etwas. Auch ihm, der sich zu Jahresbeginn immer über ein paar Schilling freuen konnte, mit denen sich ein nettes kleines Diner ausging.
    »Aber was wird er jetzt machen, der Chef?« Das war wieder der Vizepräsident. Bronstein war gar nicht aufgefallen, dass die beiden immer noch am Gang vor seiner Bürotür standen. Offenbar war ihnen nicht bewusst, dass er sich im Zimmer befand, denn sonst hätten sie so heikle Themen nie so offen besprochen.
    »Na, weißt eh, wie er ist, der Alte«, hörte er Brandl glucksen, »er wird halt einen anderen Itzig dazu bringen, dass der die Krot schluckt.«
    Bronstein echauffierte sich zwar im Stillen über Brandls Wortwahl, aber er wusste natürlich genau, wen Schobers rechte Hand meinte. Der Baron Rothschild, der Chef der Creditanstalt, würde offenbar die Bodencredit retten müssen. Warum er das allerdings freiwillig tun sollte, war Bronstein nicht einsichtig.
    In diesem Augenblick läutete das Telefon. Bronstein zuckte zusammen und lugte instinktiv um die Ecke, um so herauszufinden, ob Brandl und Seydel ihn nun als heimlichen Lauscher enttarnen würden, doch anscheinend maßen sie dem Klingeln keine Bedeutung bei. Bronstein atmete durch und hob ab. Die hauseigene Vermittlung war am anderen Ende der Leitung. »Grüß’ Sie, Herr Oberstleutnant. Eine Dame von der Bodencredit ist am Apparat.«
    Na, so ein Zufall, dachte Bronstein, ehe die Frau von der Vermittlung fortfuhr: »Sie sagt, es geht um einen Mord.«
    Hatte die Causa schon eine tragische Note bekommen, noch ehe die Nachricht vom Zusammenbruch der Bank überhaupt an die Öffentlichkeit kam? Ein Mitarbeiter, der die Nerven verloren hatte? Ein Sparer, der sich betrogen fühlte und daher rotsah? Oder hatte der Anruf vielleicht gar nichts mit der aktuellen Krise zu tun und fiel nur zufällig mit der Unterredung der beiden Spitzenbeamten vor seinem Büro zusammen?
    »Na, stellen S’ durch.«
    »Hilfe«, kreischte eine hörbar hysterische Frau in den Hörer, »wir werden bedroht. Da fuchtelt einer mit der Krachen herum und sagt, er bringt uns alle um.«
    Bronstein war alarmiert. »Wo sind Sie?«, fragte er.
    »Teinfaltstraße 8«, lautete die Antwort. Dann hörte Bronstein einen peitschenden Knall, ehe die Leitung unterbrochen war.
    Nach aller Wahrscheinlichkeit stammte das Geräusch von einem Schuss. Bronstein erinnerte sich daran, dass die Mordkommission einst ›Abteilung Leib und Leben‹ geheißen hatte, und hier ging es offensichtlich tatsächlich um das Leben von Bankangestellten. Also war sein Einsatz erforderlich. Dies umso mehr, als die Teinfaltstraße nur etwa zehn Fußminuten vom Präsidium entfernt war. Bronstein öffnete seine Schreibtischschublade, entnahm dieser seine Dienstwaffe, die er umständlich in der Gesäßtasche seines Beinkleids verstaute, und begab sich auf den Flur.
    Zwei Minuten später querte er die Ringstraße, wieder zwei Minuten später bog er auf der Freyung nach rechts ab. Nach etwa hundert Metern, die er geradeaus zurückgelegt hatte, stand er vor der Zentrale der Bodencredit.
    Auf den ersten Blick sah alles ruhig aus. Das Wichtigste war, sich nicht überraschen zu lassen, sagte er sich. Er nahm in seiner Gewandung eine grundlegende Umgruppierung vor, an deren Ende sein Zigarettenetui in der linken Sakkotasche landete, während die rechte nun die Schusswaffe beherbergte. Bronstein umklammerte deren Griff und spielte mit dem Gedanken, im Ernstfall einfach durch das Sakko zu schießen. Er atmete tief durch, sprach sich Mut zu und trat dann ins Innere des Gebäudes.
    Vor ihm tat sich ein mächtiges Stiegenhaus auf. Am Fuß der Treppe war ein Übersichtsplan angebracht, dem er entnehmen konnte, wo sich welche Abteilung befand. Dummerweise hatte er nicht in Erfahrung bringen können, aus welchem Departement der Anruf gekommen war. Das freilich erschwerte die Sache, denn er konnte unmöglich jedes Stockwerk durchkämmen und dabei fragen, ob sich hier ein Bösewicht herumtrieb. Also war Kombinationsgabe gefragt. Mit welcher Art Täter konnte er es hier zu tun haben? Im Lichte der eben erst gewonnenen Erkenntnisse schien es naheliegend, dass der Mann ein geprellter Sparer war. Oder zumindest jemand, der Angst davor hatte, um sein

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