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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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überhaupt ihre Zeit mit mir vergeudet. Wer uns g’sehen hat, musste glauben, da redet eine Herrschaft mit ihrem Diener.«
    »Und weiter?« Bronstein ging die Geduld endgültig aus.
    »Nix weiter. Sie ist dann einfach aufg’standen und gangen. Grußlos. Und ich hab’ mir denkt, so darf das nicht zu Ende sein. Und weil ich ja g’wusst hab’, dass sie am Abend in die Philharmonie gehen wird – ich hab’ ihr ja sogar noch die Karten dafür g’schenkt, nicht –, bin ich hin und wollt’ das Gespräch wieder aufnehmen.«
    »Klar, sie war dir wichtig«, belferte Pokorny, »weil sie dein letzter Rettungsanker vor dem Bankrott war.«
    »So ein Powidl«, entgegnete Gartner und drehte sich zu Pokorny um. »Ich habe sie geliebt. Wenn’s mir nur um’s Geld gegangen wäre, dann hätt’ ich jederzeit irgendwo eine Blöde finden können, das können S’ mir glauben. Sie glauben ja gar nicht, wie viele reiche Witwen herumrennen! Der Krieg, ned wahr. Die haben eine Menge Marie, aber keinen, der es ausgibt. Aber das sag ich Ihnen, so einer bin ich nicht.«
    »Und was ist mit deine beiden Frauen?«
    »Das war nur ein Unglück, dass ich halt nicht gleich die Richtige g’funden hab’. Und jetzt, wo ich sie endlich g’funden hab’, wollt’ ich sie nicht wieder verlieren.«
    Bronstein wurde der Emanationen müde. Letztlich war es egal, ob Gartner die Frau aus Eifersucht oder aus Geldgier ermordet hatte. Für ihn als Kriminalisten zählte nur der Umstand, dass der Mann geständig war. Die Bewertung des Verbrechens kam ihm nicht zu, dafür gab es die Gerichte.
    Bronstein sah Pokorny an: »Lassen wir’s gut sein. Gestanden hat er, und der Rest geht uns nichts mehr an. Schauen wir zu, dass wir nach Hause kommen.« Er bedeutete den Schließern, den Mann abzuführen. Dann verließ er mit Pokorny auch selbst den Raum.
    »Und was wird jetzt mit dem?«
    »Na, was schon? Der fahrt ein ins Landl, und irgendwann gibt’s den Prozess. Und wie immer der auch ausgeht, schöne Augen wird der Gartner so schnell keiner mehr machen.«
    »Ja, ja, verweht im Wüstensand …«
    »Pokorny, werd’ned poetisch, das passt dir ned.«
    »Na gut, dann werd’ ich eben prosaisch. Gemma noch auf a Haße?«
     

1929: Eine Bank reißt ein Bankel
    »Hast du’s schon g’hört. Die Bodencredit geht krachen!«
    »Was d’ ned sagst! Sapperlot, das ist jetzt aber ein Witz, oder?«
    »Aber wenn ich dir’s doch sag! Der Singer und die ganzen anderen Kapazunder von der Bank sind g’rad beim Chef. Der soll ihnen aus der Malaise heraushelfen.«
    Bronstein hatte genug gehört. Was Brandl, die rechte Hand von Polizeipräsident Schober, und Seydel, dessen formeller Stellvertreter, eben besprochen hatten, würde, wenn es der Wahrheit entsprach, unzähligen Sparern das Genick brechen. Und das just zu einer Zeit, da ohnehin eine Tatarennachricht die nächste jagte. Über die Bodencreditanstalt war ja schon seit dem Frühjahr gemunkelt worden, als der erzreaktionäre Bankenchef Rudolf Sieghart plötzlich etlichen Bankenbesitz mittels Notverkäufen ausgerechnet an das ›rote Wien‹ veräußerte. Der alte Sieghart musste am Ende sein, mutmaßten damals die Medien, sonst hätte er sich eher die Hand abgehackt, als einen Kontrakt mit dem Austrobolschewismus zu schließen. An dieser Stelle rächte es sich, dass Sieghart all die Jahre nur Feinde noch eifriger als Geld aufgehäuft hatte, denn er wurde nun von links und rechts mit Häme übergossen. Die roten Gazetten erinnerten an den Kriegsgewinnler und skrupellosen Börsenspekulanten, dessen Hochmut nun offenbar vor dem Fall komme, und die extreme Rechte sprach vom raffenden Kapitalisten Sieghart, der ja bis zu seiner Konversion zum Protestantismus Singer geheißen habe. Ein Jude bleibe eben immer ein Jude, hetzten Hitlers Horden in Wien, und Singer sei eben ein Shylock reinsten Wassers.
    Ein regelrechter Sturm auf die Schalter der Bank war dann erfolgt, doch Sieghart hatte alle Sparer, die ihr Geld beheben wollten, auf Heller und Pfennig zufriedengestellt, und so kehrte bald wieder Ruhe ein. Die Gazetten suchten sich andere Opfer, und Sieghart blieb an der Spitze seiner Bank.
    Und nun sollte sie doch noch kollabieren. Bronstein war dankbar, dass er stets nur bei der Postsparkasse Gelder angelegt hatte. Die war staatlich, da konnte nichts geschehen. Diese privaten Institute, die waren immer irgendwie eine Risikogeschichte. Sie lockten vielleicht mit attraktiveren Zinssätzen und vermeintlich lukrativen

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