Mischpoche
Bronstein hob langsam die Rechte und warf dann sichtbar die Waffe hinter sich. Dann öffnete er die Tür.
»Wen haben wir denn da? Einen ganz Tapferen, was? Eine mit dir, aber gach a no!« Mit hängendem Kopf leistete Bronstein dieser Aufforderung Folge. Er hatte das Bedürfnis, sich selbst zu ohrfeigen. Wie ein Amateur war er überrumpelt worden. Natürlich hatten die Frauen gesehen, wie er in das Zimmer getreten war, und natürlich hatten sie sich durch ihre Mimik verraten. Und er war nun der Teschek!
»Schleich dich zu den anderen, du Falott!« Abermals tat Bronstein, wie ihm geheißen.
Als er sich sicher war, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, fragte er, ob er wenigstens wissen dürfe, worum es eigentlich ging.
»Das geht dich zwar original gar nix an, aber es kostet mich auch nichts, es dir zu verraten: die Scheißbank hat die Firma ruiniert, bei der ich gearbeitet hab’. Wegen die Verbrecher da bin ich jetzt hackenstad. Und dieselbe Bank will mich jetzt pfänden lassen. Irgendwo gibt’s Grenzen. Und die sind jetzt erreicht. Darum soll gefälligst diese Sau von der Direktion da antanzen und das alles wieder in Ordnung bringen. Sonst wird Blut fließen.«
Das Verlangen, sich zu ohrfeigen, wurde übermächtig. Offensichtlich hatte er in der Theorie so gut kombiniert wie Sherlock Holmes. In der Praxis aber war er ein Versager allerersten Ranges gewesen. Nun blieb ihm nur noch, irgendwie Zeit zu gewinnen. Einen Gegner, der dir überlegen ist, den kannst du nur mürbe machen, erinnerte sich Bronstein an den alten Lehrsatz an der Polizeischule. Also versuchte er, den Mann in ein Gespräch zu verwickeln.
»Und was ist das für eine Firma, wenn ich fragen darf?«
»Ich will jetzt endlich den Direktor da haben, sonst knall ich dich ab«, erhielt er zur Antwort.
Bronstein bemühte sich, Ruhe zu bewahren: »Ich schlag dir ein Tauschgeschäft vor: Du sagst mir, warum du genau da bist, dann hole ich dir den Sieghart höchstpersönlich da her. Ist das eine Red’?«
Der Mann schien zu überlegen.
»Mechaniker bin ich«, begann er dann unvermittelt. »Und ein guter dazu. Was heißt gut! Der beste, den sie für Geld kriegen können. Und jetzt soll ich mir die Kugel geben – wegen den Arschlöchern da!«
Bronstein versuchte, Mitgefühl zu signalisieren: »Dein Betrieb ist von der Bank geschnupft worden!«
»Aber woher denn«, brauste der Mann von Neuem auf, »die Steyr-Werke werden von niemandem g’schnupft! Aber die Scheißbanken mischen sich überall ein, ohne dass sie eine Ahnung von irgendwas haben. Für die zählt allein der Profit; was aus den Leuten wird, ist denen egal. Dabei hab’ ich das schönste Auto ’baut, das es in Österreich je gegeben hat!«
»Wirklich? Welches denn?«
»Den Austria. Den müssten Sie sehen!«, kam der Mechaniker ins Schwärmen. »Acht Zylinder Reihenmotor. Viertakter natürlich. Mit hängenden Ventilen. 5.300 Kubik! Und 100 PS. Der geht Ihnen locker 120, wenn die Straße das hergibt. Fünf Meter lang ist er, einssiebzig hoch und fast zwei Meter breit. Ein Gedicht von einem Auto.« Einen Moment lang schwieg der Mann versonnen. Dann verhärteten sich seine Züge plötzlich wieder: »Und dann dürfen wir ihn nicht bauen, weil die Scheißbank Nein sagt!«
Das klang nun seltsam in Bronsteins Ohren. Weshalb sollte eine Bank ein derart lukratives Geschäft sabotieren?
»Aber warum sollte eine Bank ein solches Auto verhindern? Das wär’ doch ein programmierter Erfolg und damit ein satter Gewinn. Auch für die Bank.«
»Das ist ja der Wahnsinn«, sagte der Mann und platzierte dabei die rechte Gesäßhälfte auf einem Schreibtisch. »Die Bank gibt den Steyr-Werken Kredit, sie gibt aber auch den Daimler-Werken Kredit. Und die bauen ihre Limousinen schon seit zwei Jahren. Jetzt in der Krise gehen die Verkaufszahlen natürlich zurück, weil sich so ein teures Auto jetzt nur mehr ein paar Leute leisten können. Und da wäre unser Austria natürlich eine gefährliche Konkurrenz für die Austro-Daimler. Die haben aber bei der Bank mehr Kredite laufen als wir. Für die Bank wäre es also gefährlicher, die gehen in Konkurs, als wenn wir in Konkurs gehen, weil wir sind ja nur ein ganz ein kleines Radl bei den Steyr-Werken. Also sagt die Bank einfach: ihr dürft das nicht machen! Und unsere Konzernleitung sagt Jawohl. Und genau deswegen kann ich jetzt baden gehen! Dabei hätten S’ sehen sollen, wie unser Butzerl in Paris angekommen ist. Alle waren begeistert. Gegen den Austria ist
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