Miss Carolines verwegener Plan
erkundigte er sich.
„Er ist mein bester Freund“, sagte sie schlicht. „Wir fühlen uns wohl miteinander und verstehen uns gut.“
„Ich bin erstaunt. Keine leidenschaftlichen Bekenntnisse? Keine tiefen Seufzer? Keine Gedichte auf die Schönheit Ihrer Augen? Ich dachte, das ist es, was alle Frauen sich wünschen.“
„Wahrscheinlich wäre all das ganz nett. Jedenfalls behauptet meine Stiefschwester das. Aber ich bin weder so schön wie Eugenia noch so zart und hingebungsvoll. Ihr Anblick regt die Gentlemen tatsächlich dazu an, Gedichte auf sie zu verfassen.“ Sie zuckte die Schultern. „Harry wird mich heiraten, wenn er aus Indien zurückkommt. Im Moment hilft mir das jedoch überhaupt nicht.“
„Sie könnten ihm schreiben und eine offizielle Verlobung vorschlagen.“
Jetzt seufzte sie. „Wenn ich darüber nachgedacht hätte, hätte ich ihn schon vor seiner Abreise nach Indien bitten sollen, sich mit mir zu verloben. Aber mein Vater war gerade völlig unerwartet von uns gegangen. Und ich …“ Ihre Stimme schwankte. „Ich war nicht ich selbst. Erst Wochen später, als meine Stiefmutter mir klarmachte, dass Harry vielleicht nie zurückkehren würde, und begann, mich zur Ehe zu drängen … Erst da begriff ich, welche Auswirkungen Papas Tod auf meine Zukunftspläne hatte. Ich werde jedoch dem Wunsch meiner Stiefmutter nicht nachgeben. Sie kann mich so vielen Gentlemen vorstellen, wie sie nur will. Ich werde keinen von ihnen heiraten.“
„Es tut mir leid, dass Sie sich in einer solchen Zwickmühle befinden“, erklärte Max. Und das war nicht gelogen. „Dennoch möchte ich Ihnen zu bedenken geben, dass Sie das Glück Ihrer Familie nicht ganz aus den Augen verlieren dürfen. Wenn Sie in einen Skandal verwickelt sind, wird das nicht ohne Auswirkungen auf Ihre Stiefmutter und Stiefschwester bleiben. Sie wollen doch gewiss nicht, dass die beiden leiden müssen.“
„Wenn man mich auf einem Ball während der Saison in London überraschen würde, wie ich Sie küsse, dann wäre das schlimm für meine Stiefmutter und Eugenia. Sollte ich jedoch hier ruiniert werden, dann ist der Skandal längst vergessen, wenn die Saison beginnt. Im Übrigen sind Eugenia und ich nicht blutsverwandt. Sie ist keine Denby, sondern eine Whitman. Ihre Mitgift wird ebenso wie ihre Schönheit dafür sorgen, dass jeder interessierte Gentleman darüber hinwegsieht, dass sie das Unglück hat, mich zu kennen. Auch an den Makel, der Ihnen anhaftet, wenn Sie mich ruinieren, wird in ein paar Monaten niemand mehr denken.“
Max schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, Sie wissen nicht viel darüber, wie die Mitglieder der guten Gesellschaft mit Skandalen umgehen. Deshalb muss ich, obwohl ich mich durch Ihr ungewöhnliches Angebot geehrt fühle …“
Ihr Lachen überraschte ihn so, dass er den Faden verlor.
„Ganz offensichtlich fühlen Sie sich keineswegs geehrt “, rief sie. „Da wir aber gerade von Ehre sprechen … Es heißt, Sie hätten in Waterloo gekämpft.“
„Ja, in einem Gardeinfanterieregiment.“ Der plötzliche Themenwechsel verwirrte ihn.
„Dann waren Sie in Hougoumont“, stellte sie fest. „Jeder in England bewundert die tapferen Männer dieses Regiments, die aufopferungsvoll, mutig und hartnäckig das Gut Hougoumont gegen die angreifenden Franzosen verteidigt haben. Auch Ihnen, Mr Ransleigh, bringt man bestimmt Hochachtung wegen Ihres Kampfgeistes entgegen. Viele Offiziere werden sich auf Ihre Seite stellen, wenn sie von Ihren beruflichen … Problemen erfahren. Statt sich weiterhin um eine diplomatische Karriere zu bemühen, könnten Sie die Militärlaufbahn einschlagen. Doch da Sie im Moment nichts Besseres zu tun haben, als den Rogue zu spielen, könnten Sie erst einmal mir helfen.“
„Glauben Sie wirklich, es wäre eine Hilfe, wenn ich Sie ruiniere? Was für eine ungewöhnliche Vorstellung.“
Trotz ihres schrecklichen Kleides fehlte es Miss Denby nicht an Charme und Anziehungskraft. Sie war zweifellos die ungewöhnlichste junge Dame, die er je getroffen hatte. Temperamentvoll, klug, mutig und einfallsreich. Deshalb reizte es ihn, ihrem Wunsch nachzugeben, auch wenn er sich kaum etwas Unvernünftigeres vorstellen konnte. Schade, dass es – gleichgültig wie sie darüber dachte – einen riesigen Skandal gäbe, wenn er sie kompromittierte. Sehr wahrscheinlich würde er sie dann wirklich heiraten müssen.
Diese Erkenntnis hätte ihn dazu bringen müssen, Miss Denby endgültig fortzuschicken.
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