Miss Carolines verwegener Plan
guten Familie entstammt, verzeihen, wenn er Sie zur Gattin nimmt. Ihnen hingegen wird man kein Verständnis entgegenbringen, wenn Sie darauf bestehen, ledig zu bleiben.“
„Aber das ist ungerecht!“, rief Caroline erregt aus. „Das Opfer soll den Angreifer heiraten? Es soll mehr leiden müssen als der Schuldige?“
„Wir alle wissen, dass die Menschen seit Adam und Eva fast immer der Frau die Schuld geben. Das mag ungerecht sein, doch wir können es nun mal nicht ändern. Deshalb sollten wir einen anderen Weg einschlagen. Henshaw können wir sowieso nicht mehr zur Rede stellen, denn er hat Barton Abbey bereits verlassen. Er wird auch dafür gesorgt haben, dass alle Beweise, die ihn belasten könnten, inzwischen verschwunden sind. Seine blutbespritzten Kleidungsstücke hat er bestimmt längst entsorgt.“
„Aber …“, versuchte Caroline, ihn zu unterbrechen.
Doch Max sprach einfach weiter. „Ihm tut Lady Melross den größten Gefallen, wenn sie überall erzählt, ich sei derjenige gewesen, der ‚die kleine Denby‘ ruiniert hat. Wahrscheinlich glaubt er sogar, mir geschähe das nur recht. Schließlich muss ich dafür bestraft werden, dass ich Sie vor ihm gerettet habe, nicht wahr.“
„Oh, verflixt!“ Caroline senkte den Kopf. Dass Max genauso schlecht von Henshaw dachte wie sie, war in dieser Situation kein echter Trost. Einen Moment lang fühlte sie sich entmutigt, doch dann kehrte ihr Kampfgeist zurück. „Ich werde nicht zulassen, dass er davonkommt, während man Ihnen ungerechtfertigte Vorwürfe macht“, erklärte sie. „Ich fürchte mich nicht davor, ihn anzuklagen, auch wenn er alles abstreitet. Es wäre viel zu unfair, Sie unter seinem unmoralischen Benehmen leiden zu lassen.“
„Denken Sie noch einmal darüber nach“, bat Max. „Meiner Meinung nach wäre es nicht klug, ihn anzuklagen.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Nun, man hat Sie in meinen Armen gefunden. Ich bin der Sohn eines Earls, der im House of Lords eine wichtige Rolle spielt. Sie sind die verwaiste Tochter eines Landedelmannes. Wenn Sie Henshaw öffentlich vorwerfen, was er getan hat, wird er einfach alles abstreiten. Womöglich hat er sogar Zeugen, die bestätigen, dass er sich im Haus aufhielt, als Lady Melross uns überraschte. Diese Tatsachen könnten zur Folge haben, dass viele Menschen glauben, ich hätte Sie gedrängt, einen anderen Mann zu beschuldigen, um von meinem eigenen unmoralischen Benehmen abzulenken.“
Caroline runzelte die Stirn.
„Lady Melross wird es natürlich ein ganz besonderes Vergnügen bereiten, in allen Einzelheiten zu berichten, wie sie uns vorgefunden hat und in welchem Zustand Ihr Kleid sich befand. Zudem wird sie allen versichern, dass von mir – nach allem, was über den Vorfall in Wien bekannt geworden ist – nichts Besseres zu erwarten war.“
„Sie sind sich also sicher, dass niemand mir glauben wird, wenn ich die Wahrheit sage?“, fragte Caroline fassungslos.
Er nickte. „Wer würde nicht gern darüber lästern, dass der Sohn eines allgemein bekannten, hoch angesehenen Mitglieds der Gesellschaft ein so unmoralisches lüsternes Benehmen an den Tag gelegt hat? Das ist doch viel aufregender als die Annahme, ein Niemand wie Henshaw habe sich schlecht benommen. Ich sehe schon die Karikaturen in den Schaufenstern der Londoner Druckereien: Sie und ich in einer leidenschaftlichen Umarmung. Wer möchte sich das entgehen lassen, nur weil Sie etwas anderes behaupten?“
„Wie unfair!“, rief Caroline. „Aber ich fürchte, Sie haben recht. Man würde mir nicht glauben.“
Er lachte kurz auf, doch es war kein fröhliches Lachen. „Niemand weiß besser als ich, wie unfair das Leben sein kann. Keinem von uns gefällt das, was wir nun tun müssen. Aber ich denke, wir haben keine Wahl. Wenn ich Sie nicht heirate, wird man mir unterstellen, ich sei seit jenem Vorfall in Wien noch gewissenloser geworden. Und Sie werden, wenn Sie sich dieser Ehe widersetzen, für alle Zeit als entehrt gelten.“
Caroline war bleich geworden. Sie wollte nicht heiraten! Gleichzeitig bewunderte sie Max Ransleigh für seine Bereitschaft, das zu tun, was er für richtig hielt. „Ich danke Ihnen“, sagte sie. „Und ich kann Ihnen versichern, dass ich mich durch ihr Angebot geehrt fühle. Aber es wäre lächerlich, sich zu etwas zwingen zu lassen, das keiner von uns will. Wir sollten den Mut haben, uns über die Erwartungen der guten Gesellschaft hinwegzusetzen.“
„Darf ich Sie nochmals daran
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