Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
Entsetzen spiegelte sich auf seinem Gesicht wider. »Daisy, Tish ist doch nicht etwa deswegen so durcheinander, weil sie glaubt, ich hätte ihn über den Jordan befördert?«
Diese Idee war Daisy noch nicht einmal ansatzweise ge- kommen. »Natürlich nicht. Dazu kennt sie Sie doch viel zu gut«, sagte sie hastig und legte so viel Überzeugung wie mög- lich in ihre Stimme. Aber es schien durchaus denkbar, daß Tish Rollo oder Cherry oder auch beide im Verdacht hatte.
Doch Tish hatte noch einen anderen Grund, beunruhigt zu sein, erinnerte sich Daisy. Da DeLancey nunmehr tot war, wäre es nicht mehr so schlimm, wenn Rollo von seinem Ein- dringen in ihrer beider Schlafzimmer erfuhr. Also erzählte sie es ihm.
»Verstehen Sie, Tish und ich haben also genau wie Sie einen Grund, uns Vorwürfe zu machen«, erklärte sie ihm. »Hätten Sie ihn nicht rudern lassen oder hätten wir erkannt, daß er nicht betrunken war, sondern ärztliche Hilfe brauchte …«
»Mr. Fosdyke sagte, selbst wenn er nicht gerudert wäre, hätte ihn jede andere körperliche Anstrengung umgebracht. Und er hätte auch trotz ärztlicher Hilfe sterben können. Oder der Gehirnschaden hätte eine schwere Behinderung nach sich gezogen. Ich werd ihn bitten, noch mal mit Tish zu sprechen.« Rollo eilte dem Arzt hinterher.
Alec seufzte. »Er scheint viel zu naiv, um überhaupt lügen zu können. Was ist mit Cheringham? Wenn ich mich nicht irre, hast du gesagt, Frieth hätte ihn mit Müh und Not davon abhalten können, sich mit DeLancey zu prügeln.«
»Ich wünschte, ich hätte dir das alles nicht erzählt!« sagte Daisy. »Jedenfalls hat er DeLancey aus dem Fluß geholt.«
»Ich glaube keine Sekunde, daß derjenige, der DeLancey geschlagen hat, ihn töten wollte. Sonst hätte er ihn auf der Stelle erledigt. Du hast ja gehört, wie ich zu Sir Amory gesagt habe oder besser: wie ich ihn daran erinnert habe, daß aus der Sicht der Polizei zunächst alle unnatürlichen Todesfälle gleich sind. Es obliegt dem Gericht, zwischen Mord und Totschlag zu unterscheiden. Cheringhams Bemühungen, DeLanceys Leben zu retten, wären sicherlich ein schuldmindernder Aspekt.«
»Ich kann aber nicht glauben, daß er es getan hat.« Den- noch fiel Daisy Cherrys entsetztes Gesicht wieder ein, als er hörte, wie Mr. Fosdyke DeLancey für tot erklärte.
»Vermutlich kannst du einfach nicht schlecht vom Vetter deiner Cousine sprechen. Trotzdem fürchte ich, daß er und Frieth als unsere wichtigsten Tatverdächtigen gelten müssen.«
»Und was ist mit Horace Bott?« fragte Daisy.
»Ah, da sprichst du ein großes Wort gelassen aus«, er- widerte Alec. »Was ist mit Horace Bott? Und, um es auf den Punkt zu bringen: Wo steckt Horace Bott?«
9
Alec verbrachte eine etwas frustrierende, am Ende aber doch erfolgreiche Stunde am Telephon in Sir Ruperts Bibliothek.
Er hatte nunmehr die Erlaubnis der Chief Constables von Buckinghamshire und Oxfordshire, in ihrem jeweiligen Be- reich so weit wie erforderlich tätig zu werden. Beide waren sie außerordentlich erfreut, daß sie sich nicht mit einem Mordfall befassen mußten. Insbesondere nicht mit einem, in den die Aristokratie verwickelt war.
Alecs Superintendent am Scotland Yard hatte, als man ihn in seinem Landhaus erreichte, dem Antrag der drei Chief Constables – denn der von Berkshire hatte ja schon den ent- sprechenden Wunsch geäußert – eher ungehalten zugestimmt und Alec für diesen Fall abgestellt. Mit etwas Glück würde der Assistant Commissioner for Crime gar nicht in die Sache einbezogen werden müssen. Er würde zwar den Abschluß- bericht erhalten, aber Alec würde sein möglichstes tun, um Daisys Namen aus der Sache herauszuhalten.
Detective Sergeant Tom Tring und Detective Constable Er- nie Piper waren schon auf dem Weg nach Henley. Alec tat es leid, sie aus ihrem Wochenende mit ihren Familien heraus- zureißen. Aber bei einem Fall, der so viele Komplikationen in sich barg, brauchte er Männer um sich, auf die er sich ver- lassen konnte.
Ein Constable aus Henley war losgeschickt worden, sich in der Unterkunft von Botts Freundin nach seinem Verbleib zu erkundigen (Daisy hatte den Namen und die Adresse gewußt; wie zum Teufel machte sie das nur immer?).
Der Beamte aus Berkshire, der die Bahre tragen geholfen hatte, stand im Salon Wache und behielt die jungen Leute im Auge. Von der Buckinghamshire Police waren schon drei Constables eingetroffen. Anscheinend hatte man dort nur wenig mit der Regatta zu tun. Einer bewachte das
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