Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
DeLancey!« wies ihn Daisy zurecht. »Aber die andern Jungs sind wirklich Gentlemen. Könnte nicht jemand Kleines ihn mit einem langen Gegenstand geschlagen haben?«
»Hm, das ist natürlich auch eine Möglichkeit. Womit du doch wieder eine Tatverdächtige wärst.«
»Nein, das bin ich nicht«, widersprach Daisy empört. »Wenn überhaupt, dann habe ich ihn beleidigt und nicht umgekehrt.«
»Liebling, hast du das wirklich?«
»Ich habe mich – eher kurz angebunden – schlichtweg ge- weigert, mit ihm zum Tanzen zu gehen, und dann habe ich ihm noch gesteckt, daß seine Manieren noch viel schlechter sind als die von Bott.«
»Um Gottes willen! Da hab ich ja richtig Glück, daß er nicht dir eins über den Kopf gezogen hat!«
Daisy warf ihm eine Kußhand zu. »Nicht wahr? Alec, könnte DeLancey mit einem Ruder geschlagen worden sein? Es gibt im Bootshaus so ein Gestell für Ruder. So weit ich es erkennen konnte, lagen die alle an ihrem Platz, als ich nach- geschaut habe, aber …«
»Als du nachgeschaut hast? Daisy, hast du mir da etwas ver- schwiegen?«
»Schau mal, da drüben liegt Crowswood, wo Lord DeLan- cey zu Gast ist.«
Obwohl Alec einen gedankenvollen Blick auf das geöffnete Tor und das Pförtnerhäuschen warf, versagte dieses Ablen- kungsmanöver doch ganz und gar. »Was hast du zu einer Zeit im Bootshaus zu suchen gehabt, als ein nicht im Ruder- Gestell befindliches Ruder als Tatwaffe hätte dienen kön- nen?« verlangte er zu wissen.
»Ich war auf der Suche nach Bott.«
»Auf der Suche nach Bott ? Jetzt erzähl mir nicht, du hättest dir wegen möglicher Sabotage des Vierers solche Sorgen ge- macht …«
»Du liebe Zeit, nein. Ich habe mir wegen Bott Sorgen ge- macht. Ich dachte, wenn DeLancey am Bootshaus Wache schiebt und Bott wirklich hinuntergeht, dann schlägt De- Lancey vielleicht ihn zusammen und läßt ihn dort liegen. Und wenn er nicht gleich tot ist, dann ist er zumindest verletzt. Ich dachte, das wäre vielleicht der Grund für DeLanceys Zustand. Schock, weißt du.«
»Also bist du mitten in der Nacht hinunter zum Bootshaus gegangen. Vermutlich allein?«
»Es schliefen ja schon alle, und ich konnte Bott nicht ein- fach da liegenlassen, falls er schwer verletzt gewesen wäre. Insbesondere, nachdem ich gesehen hatte, daß die Türen vom Salon zur Terrasse offenstanden, daß also jemand – schau doch nur, da ist die Einfahrt von Phyllis Court. Hatte ich dir schon erzählt, daß wir da heute abend eingeladen sind?«
»Hast du. Aber ich kann nicht versprechen …«
»Ich weiß. Doch bis dahin hast du den Fall sicher gelöst.«
»Dein Glaube versetzt Berge, mein Schatz.« Alec lächelte sie an und wandte sich rasch wieder der Straße nach Marlow zu, die hier auf die Hauptstraße von Henley traf. »Es kann je- doch genausogut sein, daß ich dann vollkommen verwirrt bin, wie der Ochs vorm Berg stehe und mich ein bißchen vom Fall lösen muß. Also sag noch nicht ab. Du hast Bott im Boots- haus nicht vorgefunden. Aber was hast du gesehen?«
»Absolut nichts. Es war ganz schrecklich gespenstisch«, gab sie mit einem von der Erinnerung hervorgerufenen Schaudern zu. Dabei hätte an diesem sonnigen Nachmittag nichts so ungespenstisch wirken können wie die Geschäfte und Wirtshäuser der Bell Street. »Ich konnte mir nicht sicher sein, daß er nicht ertrunken unten im Wasser liegt, aber wäre das der Fall gewesen, dann war es ohnehin zu spät, um ihm noch zu helfen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich war, als er zum Frühstück auftauchte.«
»Doch, kann ich. Konntest du denn etwas sehen? Gibt’s im Bootshaus elektrisches Licht?«
»Nein, ich hab die Taschenlampe vom Treppenabsatz ge- nommen. Und ich habe besonders darauf geachtet, die Fin- gerabdrücke nicht zu verschmieren«, sagte Daisy gewichtig.
»Tom Tring wird stolz auf dich sein. Leider könnte mittler- weile jeder die Taschenlampe wieder abgewischt haben, wenn das Dienstmädchen sie nicht gar täglich poliert«, bemerkte Alec mit fühlloser männlicher Logik. »Aber wir wissen ja ohnehin nicht sicher, daß der Anschlag im Bootshaus passiert ist.«
»Wer vor mir dorthin gegangen ist, der hat die Taschenlampe vielleicht gar nicht gebraucht. Draußen mußte ich sie jedenfalls nicht anschalten – der Mond ging gerade unter –, und vorher … ach, halt, hier ist die Hart Street. Bitte bieg hier ab, und dann müssen wir an der Brücke rechts lang. Da muß ich aus- steigen. Du kannst danach weiter am Fluß geradeaus fahren, am Ende biegst
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