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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Dunn
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weiter nichts. Wir können von Glück sagen, daß dein Rennen heute morgen so früh stattfand, bevor noch die ganzen Menschenmassen da waren. Trotzdem hast du mehr als genug Gerede verursacht!«
    Daisy gewann den Eindruck, daß Lord DeLancey nicht
    etwa wütend war, sondern daß er sich große Sorgen machte.
    Insbesondere die Seitenblicke auf Rollo und Cherry, während er seinen Bruder ausschimpfte, wirkten ängstlich. Hatte er denn etwas zu befürchten?
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    »Ich bin wirklich schrecklich froh, daß der Vierer den Durchlauf im Rennen gewonnen hat«, sagte Tish, während sie sich auf ihr Feldbett legte. Sie tat das sehr vorsichtig, denn es brach zusammen, wenn man sich ihm unvorsichtig näherte. »Ich glaube, Rollo wird ein Jahr Nachsitzen in Ambrose leichter fallen, wenn er für das College einen Cup mitbringen kann.«
    »Er ist ganz besonders nett.« Gähnend kratzte Daisy an ihren Mückenstichen. Ein neuer hatte das Jucken des alten wieder aufflammen lassen. »Ich hoffe, daß ihr beiden es gut habt miteinander, egal, wie das hier alles ausgeht.«
    »Vor den Finals liegt nur noch ein Ausscheidungslauf.
    Drück uns die Daumen. Daisy, du glaubst doch nicht, daß da etwas dran war an dem, was Basil DeLancey gesagt hat, oder?
    Daß Bott das Boot sabotieren würde?«
    »Das scheint mir sehr unwahrscheinlich. Lord DeLancey hat sich aber sehr merkwürdig in dieser ganzen Sache verhalten, findest du nicht? Der wirkte ja regelrecht bedrückt. Zugegeben, es muß ziemlich schrecklich sein, einen Bruder wie Basil zu haben, aber dafür werden die Leute doch nicht ihm die Schuld geben.«
    »Nein.« Tish zögerte. »Dottie hat ungefähr dasselbe gesagt, und dann hat Cherry uns das alles erklärt. Es würde mich nicht wundern, wenn es ohnehin die Runde macht, aber ich bin natürlich sehr ungern diejenige, die mit dem Getratsche anfängt.«
    Daisy protestierte voller Neugier: »Spann mich doch nicht so auf die Folter. Da wirfst du mir einen Brocken hin und hörst dann mittendrin zu erzählen auf. Wenn Scotland Yard mir seine Geheimnisse anvertraut, dann kannst du das auch!«
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    »Tatsächlich? Mr. Fletcher plaudert aus dem Nähkäst-
    chen?«
    »Manchmal. Sagen wir so: Ich habe ihm bei dem einen oder anderen Fall schon mal geholfen. Aber darum geht es jetzt nicht. Erzähl mir die Sache mit Cedric DeLancey, oder ich kippe dein Bett um!«
    »Nicht! Dann müßte ich es ja wieder ganz neu aufbauen.
    Also, Cherry hat gesagt, Lord DeLancey hätte schreckliche Angst vor jedem Klatsch über seine Familie, weil sich dann sein Verhalten im Großen Krieg herumsprechen könnte.
    Anscheinend ist er damals in Panik geraten, hat den Kopf verloren und seine Kompanie geradewegs in ein Massaker ge-führt. Nur hat er sie von hinten geführt, wie der Duke of Plaza Toro …«
    »So wie im Lied vom großen Helden, der sein Regiment
    von hinten führt?« erinnerte sich Daisy und summte ein paar Takte aus Gilbert/Sullivans Gondoliers. »Führte es von hinten, um hinter seinen Soldaten zu verschwinden …«
    »Schsch!« zischte Tish und blickte zur Tür. »Es hat nur drei Überlebende gegeben, und obendrein war er der einzige, der unverletzt davongekommen ist. Man hat ihn vor ein Kriegs-gericht gestellt, aber die ganze Sache wurde vertuscht, weil doch sein Vater ein Earl ist und überdies in der Regierung. Die Familie hat dann überall herumerzählt, er sei als Invalide ausgemustert worden. Aber Cherry und Rollo waren beide im selben Bataillon mit der Unglückskompanie und wissen ganz genau, was wirklich passiert ist. Cherry meinte, wenn das an die Öffentlichkeit kommt – ob nun als Gesellschaftsklatsch oder, was noch schlimmer wäre, über die Presse –, dann würde Lord DeLancey von allen geschnitten und könnte seine gesellschaftliche Existenz vergessen.«
    »Himmel, ja, er würde sehr wahrscheinlich von seinen
    Clubs ausgeschlossen werden, und bei Hof würde man ihn auch nicht mehr empfangen. Und es ist nicht auszuschließen, daß man seinen Vater mit sanftem Nachdruck aus seinem Re-gierungsposten drängt. Eine solche Geschichte ist schließlich 63
    nur schwer zu vertreten.« Daisy wurde streng, fast bitter.
    »Aber nicht etwa deshalb, weil es irgend jemanden auch nur im geringsten interessiert, daß er seine Soldaten vom Feind hat abschlachten lassen. Schließlich haben die Generäle das mit Tausenden so gemacht. Aber die Leute werden ihm seine Kopflosigkeit nicht verzeihen. Und die erscheint mir wiederum als eine völlig natürliche

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