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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Dunn
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die Füße, und auch ein hübsches blondes
    Mädchen stand auf, Daisys Cousine Patricia Cheringham, wie sich herausstellte.
    Miss Cheringham begrüßte ihn genauso freundlich wie ihre Mutter, doch wirkte sie etwas müde. Es mußte sehr anstrengend für sie sein, das Haus voller kräftiger, lauter Ruderer zu haben. Sie stellte ihm ihre Freundin Miss Carrick vor, eine eher unscheinbare junge Dame mit einer wie warmer Honig fließenden Stimme, und die vier jungen Studenten. Der große Respekt, mit dem sie ihm begegneten, war ohne Zweifel seinem hohen Alter geschuldet, dachte er selbstironisch. Seine Stellung hingegen würde sie keinesfalls beeindrucken, selbst wenn sie von ihr wüßten. Für diese privilegiert heranwach-senden Adels- und Grundbesitzer-Sprößlinge würde ein Polizist niemals so richtig »einer von uns« sein.
    Wenigstens schien es sie nicht zu stören, daß er nicht ganz den richtigen Akzent hatte. Nicht zum ersten Mal dankte Alec im stillen seiner Mutter, die nicht zugelassen hatte, daß seine Sprachmelodie auch nur das geringste bißchen nach North London klang. Er sprach klassisches King’s English, und zwar ein noch reineres als diese ganze Mannschaft. Mit ihrem Uni-Jargon und den wohlgerundeten Stimmen klangen sie allesamt wie aufgeblasene Idioten.
    Eton und Oxford machten nicht unbedingt aus jedem
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    jungen Mann einen aufgeblasenen Idioten, schalt sich Alec.
    Er mußte die Dinge wirklich gelassener sehen.
    Alle zusammen gingen sie zum Flußufer, wo zwei Doppel-Skullboote angetäut lagen. Im Heck eines jeden gab es einen Sitz mit Blick nach vorn, zum V-förmigen Platz im Bug, und zwei Bänke für die Ruderer in der Bootsmitte.
    »Ich hoffe, du erwartest nicht von mir, daß ich dich jetzt hinüberrudere«, flüsterte Alec seiner Verlobten leise zu, als er den Schwarm kleiner Boote sah, die sich alle stromaufwärts bewegten. »Wenn ich mit der Strömung zu Rande kommen
    soll, kann ich nicht auf den Schiffsverkehr achten. Und umgekehrt. Beides gleichzeitig geht nicht. Ein Ausflug auf der Serpentine, dem Teich im Hyde Park, ist alles, was ich an Erfahrung zu bieten habe.«
    »Ich hab schon mal auf dem Severn gerudert.«
    »Dann kannst du mich ja hinüberrudern.«
    »Wohl kaum! Das ist Jahre her, und außerdem ist der Severn ein viel kleinerer und ruhigerer Fluß. Aber wir haben ja zum Glück unsere vier kräftigen jungen Ruderer.«
    Die Männer des Ambroser Ruderteams hatten ohnehin an-
    genommen, daß sie die Skulls hinübersteuern würden. Miss Cheringham und Miss Carrick stiegen bei Meredith und
    Leigh, Alec und Daisy bei Wells und Poindexter ein.
    »Sie wissen doch, wie man ein Boot lenkt, Mr. Fletcher?«
    fragte Miss Carrick, als er sich mit Daisy auf dem gut gepolsterten Sitz im Heck niederließ.
    Daisy drückte ihm die Steuerleinen in die Hand.
    »Ich glaub, ich schaff das schon«, sagte Alec zögerlich.
    Miss Carrick und Miss Cheringham warfen sich einen Blick zu. »Da draußen sind eine ganze Menge Boote«, sagte Miss Cheringham. »Ich fahr mal bei euch mit.«
    Obwohl es für alle jede Menge Platz gab, wollte Daisy nicht, daß Miss Carrick ganz alleine im Boot blieb, und tauschte daher mit ihrer Cousine die Plätze.
    »Ich wollte mich nur vergewissern«, entschuldigte sich Miss Cheringham bei Alec, der das Boot mit einem Boots-82
    haken vom Landesteg abstieß. »Daisy hat uns gestern kreuz und quer über den Fluß gelenkt. Aber das muß ja nicht heißen, daß Sie davon schon angesteckt sind.«
    Alec lächelte sie an. »Andererseits könnte es ja auch sein, daß ich uns geradewegs auf ein anderes Boot zulenke und zwei Bootsbesatzungen in den Fluten versenke. Sie hatten durchaus recht, mir nicht zu trauen, Miss Cheringham.«
    »Nennen Sie mich doch bitte Tish. Schließlich sind wir ja bald Vetter und Cousine. Es sei denn, Patricia ist Ihnen lieber.«
    Noch während Alec ihr erklärte, daß Tish ihm sehr gut ge-fiele, überlegte er, was das über sein Alter aussagte, wenn sie ihm anbot, sie bei ihrem richtigen Vornamen anstelle des Spitznamens zu nennen. Waren seine Haare etwa über Nacht grau geworden, ohne daß er es gemerkt hatte?
    Daisy war fünf Jahre älter als ihre Cousine, sagte er sich zu seiner Beruhigung. Obwohl sie in ihrem hübschen Sommerkleid mit dem von Margueriten umrandeten Hut nicht älter als achtzehn wirkte.
    Zwei ganze Tage, und keine Vorhaben außer einem: ihre Gesellschaft zu genießen, freute er sich.
    Sie kamen am anderen Ufer an und stiegen aus. Alec und Daisy gingen

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