Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
auf dem Treidelpfad am Fluß ein kleines Stück hinter den anderen, die sich beeilten, um den Start des Ambrose-Vierers nicht zu verpassen.
»Du hast aber eine charmante Cousine«, sagte Alec. »Hab ich das richtig verstanden, daß ihr Vetter da mitrudert? Erzähl mir doch ein bißchen von der Mannschaft, die ich gleich anfeuern soll.«
»Genau, Cherry ist einer davon.« Daisy steckte eine Hand in die Armbeuge ihres Verlobten. »Für Tish ist er aber eher so was wie ein Bruder. Seine Eltern haben sie mehr oder minder großgezogen, als meine Tante und mein Onkel im Ausland waren. Er ist mit Dottie verlobt. Die beiden sind unheimlich helle und werden wohl in der Wissenschaft Karriere machen.
Aber nett sind sie trotzdem, nicht das geringste bißchen 83
herablassend zu uns Normalsterblichen von durchschnitt-licher Intelligenz.«
»Damit meinst du doch sicher nur dich selbst!«
»Unbedingt.« Ihre Augen funkelten, als sie zu ihm empor-blickte. »Mir ist deine intellektuelle Brillanz durchaus be-wußt, auch wenn du nicht mit uralten griechischen Zitaten um dich wirfst wie Jupiter mit Blitzen.«
»Zeus tut das. Machen die beiden das denn?«
»Selten, aber es kommt vor. Rollo Frieth: der arme Kerl ist im Gegensatz zu ihnen gerade durch die Examina gefallen. Er und Cherry sind älter als die meisten in der Mannschaft, weil sie im Großen Krieg gekämpft haben. Rollo ist Mannschaftskapitän, Cherrys Freund und Tishs Verehrer, die Reihenfolge ist wohl egal. Er ist ein durch und durch netter Mensch und wirkt sehr ausgleichend. Beste Voraussetzungen also für den Kapitän dieser Mannschaft.«
»Streiten die sich denn so viel?« fragte Alec. Er machte eine Geste zu den jungen Männern vor ihnen auf dem Pfad. »Die wirken doch alle ganz friedlich.«
»Die meisten sind es auch, insbesondere der junge Fosdyke, der anscheinend nichts im Leben kennt außer rudern, laufen, essen und schlafen. Ein netter, zuvorkommender Junge, das kann man nicht anders sagen. Er rudert auch im Vierer mit.
Und dann ist da der Honourable Basil.«
Er konnte es schon an ihrem Tonfall erraten. »Die Fliege in der Suppe?«
»Eine Stechmücke, eher.« Sie rieb sich nachdenklich den Arm und erklärte: »Ich bin neulich abends gestochen worden.
Jetzt guck nicht so entsetzt: von einer echten Mücke, nicht von Basil DeLancey. Ich glaube, der ist gar nicht so schlimm, wie alle glauben, aber beschwören will ich es nicht.«
»Eher ein Don Juan?«
Sie runzelte die Stirn. »Nein, so auch wieder nicht. Cherry hat erzählt, er hätte ein Ladenmädchen in Schwierigkeiten gebracht, und dann hat er Tish verfolgt wie Nachbars Lumpi.
Aber ich glaube, damit will er eher Cherry und Rollo ärgern, 84
das meint er gar nicht … Nein, das ist es auch wieder nicht. Er sagt einfach nur, was ihm gerade durch den Kopf geht, und da spazieren eben mitunter auch ganz gewaltige Unverschämt-heiten herum. Er scheint die meisten Menschen schlichtweg zu verachten. Die arme Dottie hat er neulich richtiggehend beleidigt. Meiner Meinung nach ist ihm überhaupt nicht klar, wie ekelhaft er ist. Es kann ein Mensch doch unmöglich absichtlich dafür sorgen, daß er nur Feinde im Leben hat, oder?«
»Ich kenne schon den einen oder anderen, dem so etwas völlig egal ist.«
»Genau, das ist es. Es ist ihm gleichgültig. Susan Hopgood hat mir erzählt, er sei der jüngste in seiner Familie. Wir haben dann zusammen überlegt, daß er als Kind wohl permanent vermittelt bekommen haben wird, alles, was er sagte, sei ganz schrecklich intelligent oder lustig oder beides.«
»Susan Hopgood?« fragte Alec nach.
»Die Freundin von Horace Bott. Er ist der Steuermann
vom Achter und das hauptsächliche Opfer von DeLancey.«
»Jetzt rede mir doch bitte nicht von Opfern! Schließlich hab ich dieses Wochenende frei.«
»Verzeihung, ich bessere mich«, versprach Daisy schmunzelnd. »Da drüben ist Temple Island. Schau doch nur, wie viele Menschen da stehen und den Start sehen wollen! Hoffentlich kriegen wir überhaupt was mit.«
Alec, der sich ganz auf Daisy konzentriert hatte, war das baumbestandene Inselchen mitten auf dem Fluß nur am
Rande bewußt geworden. Jetzt aber sah er die vielen Menschen, die sich alle vor ihnen am Ufer versammelt hatten.
Ganz in der Nähe markierten Fähnchen die Startlinie, und dahinter war der Fluß durch Pontons in zwei Bahnen aufgeteilt.
Auf einem Motorboot standen wichtige Amtsträger, wohl Stewards, die das Nahen von zwei Vierern beobachteten. Die Ruderer
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