Miss Emergency
ich eigentlich nicht sagen wollte.
Mann, Lena, jetzt krieg dich wieder ein! Das mit dem Teddy stellst du einfach als Witz dar. Jetzt freust du dich erst mal. Dr. Thalheim lächelt, meine Erleichterung muss bis nach China strahlen. Und dann kommt es. Dr. Thalheim hat mich beobachtet.Sagt er. »Sie haben sich gut eingefügt â¦Â« Er lacht. »Die Hitzköpfigkeit des Anfangs müssen Sie noch in den Griff bekommen. Aber sonst bin ich zufrieden. Ich überlege, ob Sie reif für einen eigenen Patienten sind.«
Hilfe! Super! Hilfe! Die Achterbahn im Heide-Park ist ein Teetassenkarussell gegen mich. Eigene Patienten! Her damit! Das will ich! Sag mir, dass ich einen eigenen Patienten bekomme und ich werfe mich zu deinen FüÃen. Moment, Lena. Das ist immer noch der Oberarzt. Und du wolltest dich doch keinen Männern zu FüÃen werfen, die dir kein Schloss schenken. Nun ja, dann stell mal eine angehende Ãrztin vor die Wahl. Schloss oder Patient, Aschenputtel, wie entscheidest du dich? Ich weiÃ, was ich will und bedanke mich überschwänglich ⦠Bis Dr. Thalheim »Moment« sagt. Einfach so. »Moment!« Na klar, jetzt kommt es. Das »wenn Sie nicht«, »Sie müssten aber«, »Nur leider«. Das kennst du doch, Lena, warum so enttäuscht?! Es gibt nichts geschenkt. Bis eben warst du doch ganz realistisch! Leider springe ich auf die kleinsten Möglichkeiten manchmal so auf, dass ich den Lottogewinn im Kopf schon groÃzügig an meine Freunde und alle Schuhläden Italiens verteilt habe, bevor jemand »Moment« sagt.
Dr. Thalheims Einspruch ist eigentlich klein. Und unüberwindlich. Ich soll mir einen Patienten aussuchen. »Mir ist aufgefallen, dass Sie zwei Patienten besondere Zuwendung schenken: Dem SHT und der Pneumonie.« Er lächelt. »Bitte überlegen Sie sich doch bis morgen, welchen der beiden Patienten Sie betreuen möchten.« Das warâs, er erhebt sich. »Einen schönen Abend, Fräulein Weissenbach!« Dann stehe ich auf dem Flur, völlig perplex.
Mach Luftsprünge, Lena, du KRIEGST DEINEN ERSTEN PATIENTEN! Geh nach Hause und verkriech dich in einer Ecke. Du wirst dich nie entscheiden können. Zwischen Manuel, dem SHT, der dich provoziert und ständig herausfordert â und Frau Klein, der Pneumonie, die sich immer so freut, dich zu sehen. Die dich wieder aufgebaut hat, als du down warst. Aber derdu nie einen Teddy kaufen würdest. Ich bin ganz durcheinander. Und in meiner Hand glüht noch die Nachwärme von Dr. Thalheims Abschiedshändedruck.
»Sie machen das schon. Ich glaube an Sie.« Dazu ein tiefer Blick, ein warmes Lächeln. Stopp, stopp, stopp! Jetzt lass dich nicht auch noch von den dunkelblauen Doktoraugen aufs Glatteis führen! Du musst eine schwierige Entscheidung fällen! Und ER glaubt an dich!
Ich gehe nach Hause wie in Trance. Super, schon wieder zu spät für Isa und Jenny. Die bräuchte ich dringend zur Beratung â aber die sitzen längst gemütlich bei Chips und Cola oder DJs und Lehrbüchern â und du fährst wieder allein heim. Manuel oder Frau Klein?
Als ich am Fahrkartenautomaten die Tickets aus dem Schacht klaube, kommt ein betrunkener Russe auf mich zu. Er ist in meinem Alter und lächelt niedlich durch eine riesige Zahnlücke. »20 Cent?«
»Sorry, ich hab mit Karte bezahlt.«
Manuel hat strahlende weiÃe Zähne. Kein Wunder, er als Sportler hat sicher einen Gesundheitsfimmel.
»Na macht nix«, sagt der betrunkene Russe und klopft mir im Weitertorkeln auf den Rücken.
Komm schon, Lena, denke ich, gib ihm irgendwas. Das ist mein schlechtes Gewissen; ich hab sehr wohl Kleingeld und nur aus einem Reflex heraus verneint. Und das Schicksal, denke ich hastig â wenn du es gnädig stimmst, zeigt es dir den Weg.
»Willst du ein Ticket?«, frage ich schnell. Er kommt zurück, nimmt das Ticket und freut sich überschwänglich. Frau Klein hat sich so rührend über meinen Besuch gefreut.
»Danke! Nastrowje! Nastrowje!«, ruft der Russe und torkelt winkend davon. Alle Leute gucken. Nun ja. Vielleicht müsst IHR ja nichts gnädig stimmen â ich muss jede Hilfe nehmen, die ich kriegen kann. Gerade als ich ausrechne, dass ich dem Russen jetzt mehr als 2 Euro gegeben habe statt 20 Cent, tätschelt ein kleiner bebrillter Mann meinen Arm.
»Na, Chefin, wie gehtâs?«
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