Miss Emergency
nicht mehr gebraucht werden, bringt Tom uns nach Hause. Ich weià nicht, wie ich ihm danken soll. Aber er lächelt bloÃ. »Ich bin halt ein netter Typ. Ich würde nicht mal drei hässliche alte Frauen allein im Wald stehen lassen.«
Als ich aus dem Bad komme, höre ich Isa telefonieren. Erzählt sie ihrem Freund unser Abenteuer? Offenbar gibt es ihn also doch, das Gemurmel klingt ziemlich nach Liebesgeflüster. Na gut, dann gewöhne ich mich eben an den Gedanken, dass es einen Paul gibt. Im Bett muss ich noch mal über Tom nachdenken. Klar, er ist nicht der spritzigste und witzigste Typ unter der Sonne. Aber ist es nicht auch groÃartig, wenn jemand so zuverlässig ist? Ja, es klingt lahm: »zuverlässig«. Aber Tom hat eine Ruhe und Gelassenheit, die Sicherheit ausstrahlt. Man könnte sich geborgen fühlen bei so einem, der immer weiÃ, was zu tun ist. Und es auch ohne viele Worte tut. Keine Ãberraschungen. Aber vielleicht totales Vertrauen. Ist so was besser, als den geistreichsten, spontansten Freund zu haben? Oder gibt es irgendwo doch die seltene Kombination, die beides hat? Und wie hoch sind die Chancen, dass â wenn er existiert â seine Wege irgendwann irgendwo mit meinen in Berührung kommen? Oder kennt man eigentlich so einen längst?
Schlaf jetzt, Lena. Heute kommt er bestimmt nicht mehr. Schon gar nicht in deinem Schlafzimmer vorbei. Und morgen triffst du dich mit Manuel.
I ch könnte immerzu über Manuel sprechen. Aber am Sonntagmorgen gibt es schrecklich viel anderes zu bereden. Das gestrige Abenteuer, Jennys Erlebnisse auf der Polizeiwache â alles ist wichtiger als mein Date. Nach dem Cabrio wird gefahndet. Marcus war ganz schön sauer, aber Jennys Versicherung wird für den Schaden aufkommen â na gut, wohl eher die Versicherung ihres Vaters.
»In nächster Zeit sind keine Klamottengeschenke mehr zu erwarten«, meint Jenny. Sie nimmt das Ganze erstaunlich locker, und als ich das sage, zuckt sie nur mit den Schultern. »Ich kann es ja nicht wieder herzaubern.«
Das stimmt zwar, aber ich könnte trotzdem nie so ruhig bleiben. Ich mache mir ja selbst Vorwürfe. Jede von uns hätte auf die Idee kommen können, dass es eine büttenpapierne Einladung ist, ein Cabrio mit offenem Dach stehen zu lassen â¦
»Wisst ihr, was ich mir überlegt hab, Mädels?« Jenny fuchtelt mit dem Eierlöffel in unsere Richtung. »Tom ist echt eine treue Seele. Und er hat sich so angestrengt in letzter Zeit. Ich denke, ich sollte ihm noch eine Chance geben.«
Was für eine tolle Idee! Dann hat das Cabrio-Desaster doch noch etwas Gutes bewirkt. Endlich bekommt der arme Tom den Lohn für seine unerschütterliche Treue. Ich juble Jenny zu. Und dann sehe ich Isas Gesicht.
Alles ist klar. Die erlogenen Bibliotheksabende. Der Abend im Turnverein, Isa, die sich plötzlich so locker unterhält. Tom hilftIsa ins Auto und legt ihr eine Decke um. Der Typ, der ihr den blöden Snoopy geschossen hat, der in Isas sonst so geschmackvollem Zimmer als personifizierter Stilbruch auf dem Bett sitzt, ist Tom. Wann mag es angefangen haben? Vielleicht schon vor Wochen, als der arme Tom regelmäÃig zum Geräteeinbau kam? Obwohl, »der arme Tom« darf man dann wohl nicht mehr sagen ⦠Das ganze Versteckspiel ergibt auf einmal Sinn. Was wohl passiert, wenn Jenny das rauskriegt?! Sie hat keine Ahnung. (Von wegen Paul! Wusste ich doch, dass der es nicht ist.) Und jetzt eröffnet Jenny der neuen Freundin ihres Exfreundes ahnungslos beim Frühstück, dass sie ihn »zurücknehmen« wird ⦠Isas Blick ist entgeistert. Völlig verständlich. Wenn Jenny so etwas beschlieÃt, würde ich mich auch absolut chancenlos fühlen. Zum Glück hat Jenny, wenn sie mit sich beschäftigt ist, für andere die Sensibilität eines Kieselsteins. Sie hat nicht bemerkt, dass eine von uns irgendwie falsch auf ihre Eröffnung reagiert hat.
»Hallo?« Jenny tippt mit dem Eierlöffel gegen meinen Arm. »Erde an Lena! Ich hab gefragt, was du anziehst!«
Verwirrt muss ich die Frage wiederholen. Ach du meine Güte, mein Date. Die Frage nach meinem Outfit erscheint mir im Moment so wichtig wie die Verteilung der Donnerstage auf das Jahr 2030. Ich bin überfordert, jetzt bloà nichts Falsches sagen; am besten, Lena, du gehst erst mal ins Bad.
Als ich aus dem Bad komme, hat
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