Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
unter dem Papier hervor, der von seinem Besitzer sicher händeringend gesucht wird.
»Na los«, auch Isa erhebt sich seufzend, »fangen wir an!«
Jenny pustet in ihren Kaffee und lächelt unschuldig. »Oder wir bitten die Herren … die gestern so großspurig getönt haben, uns von nun an jeden Wunsch von den Augen abzulesen, wenn wir nur eine Zehntelsekunde Zeit finden, den Blick aus den Büchern zu heben.«
Das stimmt. Die beiden festen Freunde meiner Mädels haben sich schier überschlagen vor Hilfs- und Unterstützungsangeboten. Ist es dreist, sie jetzt gleich beim Wort zu nehmen? Isas Freund Tom, der in München als Koordinator für Freiwillige Hilfsdienste arbeitet, ist ein wahres Organisationstalent. Und Jennys Freund Felix ein Sunnyboy, dem nichts die Laune trübt und der trotzdem ordentlich zupacken kann. Zu zweit hättensie unser Chaos sicher schnell im Griff. Und wir könnten jetzt schon mal mit dem Lernen … (Na ja, Lena, wenn du ehrlich bist, sehnst du dich nicht nach deinem Schreibtisch, sondern nach deinem Bett.) Aber ich kann die Jungs schlecht um Hilfe bitten, schließlich ist keiner von beiden MEIN Freund.
Weil Lena ja spontan übergeschnappt ist. Spontan überfordert. Von ihren Männer- und Zukunftsmöglichkeiten. Wer hätte das jemals ahnen können?! Na, ich sicher nicht.
Drei Monate Liebessehnsucht. Drei Monate, in denen ich alles dafür gegeben hätte, einfach mit IHM zusammen sein zu dürfen. Tobias. Der Oberarzt der Inneren, der wortkarge Mann mit den warmen Augen, der immer weiß, was zu tun ist. Und dann, als er endlich zu mir zurückkam, war alles anders. Er kam höchstens eine Woche zu spät. Aber irgendwie hatte sich mein Herz beruhigt.
Plötzlich war das Ziel aller bisherigen Wunschträume keine Oase mehr, die man halbverdurstet mit letzter Kraft erreicht und in der man für immer bleiben will. Sondern eher ein Stern, der in der Ferne funkelt, bei dem man aber fürchten muss, dass er aus der Nähe besehen auch ein Stein sein könnte. Während es da noch einen anderen Planeten gibt – der ganz unbemerkt zur Heimat geworden ist.
In diesem Moment erkenne ich den Schlüssel in meiner Hand. Ein Wohnungsschlüssel. Zu einer kleinen, etwas unordentlichen Wohnung, in der über einer Riesencouch vier Leuchtbuchstaben aus einer alten Kino-Reklame hängen, die das Wort HIER bilden.
Alex. Der mein Freund war, der beste männliche Freund, den ich je hatte. Und dann auf einmal mehr. Der mich von meiner traurigen Sehnsucht erlöst hat. Der alles plötzlich ganz leicht – und so viel komplizierter gemacht hat.
Er ist also noch da, vielleicht schläft er auf der Couch in Jennys Zimmer.
Ich stehe unschlüssig im Flur, in der Hand den Schlüssel, als Alex aus dem Bad kommt. Seine Haare sind verstrubbelt undnass, er trägt ein T - Shirt von Felix und ist noch ziemlich verschlafen. Als er mich anlächelt und mir einen Guten Morgen wünscht, sieht er aus wie ein kleiner Junge.
Wie kann er sich so normal benehmen?! Er ist zu unserer Party gekommen, als wären wir nie mehr als Freunde gewesen; wir haben gelacht und gesungen und sogar miteinander getanzt. (Okay – das erst, nachdem er sowohl Jenny als auch Isa aufgefordert hatte … aber trotzdem.) Ich weiß nicht, was es ihn kostet, sich so locker zu geben. Aber wenn es ihm schwerfällt, in meiner Nähe zu sein, dann lässt er es sich nicht anmerken.
Und ich? Wie kann ich das annehmen? Hab ich es mir bequem gemacht in der Möglichkeit? Genieße ich es rücksichtslos, einen vertrauten Freund zu haben – obwohl ich doch weiß, dass seine Gefühle ganz andere sind? Jenny hatte ihn eingeladen, ich hätte mich nicht getraut. Aber wie froh war ich, als er kam – und so unbeschwert wirkte. Muss ich jetzt irgendwas dazu sagen? Dass es mir leidtut? Dass ich zwar beschlossen habe, im Moment überhaupt keinen Freund zu wollen, er aber trotzdem ein fabelhafter Freund WÄRE?
Meine Mädels haben die Zwei-Männer-Frage hin- und hergewendet. »Nichts ist schlimmer, als sich falsch zu entscheiden«, findet Isa. Jenny hingegen behauptet, ich könnte die Entscheidung nur deshalb nicht treffen, weil ich so lange auf Tobias gewartet habe – und mir nun nicht eingestehen will, dass ich ihn im Laufe der Zeit immer mehr vermärchenprinzt habe.
Inzwischen ist die Frage irgendwie kleiner geworden, nicht mehr eine Entscheidung, die ich lieber heute als morgen treffen muss.
Ich werde das nächste Vierteljahr sowieso nicht von meinen Büchern aufschauen
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