Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
braucht sie doch nur jemanden, der sie festhält und ihr Mut macht?
Doch als ich frage, ob sie Tom am Wochenende sehen wird, schüttelt Isa den Kopf. »Das geht nicht. Mir ist beim letzten Mal im Zug so schlecht geworden, dass er es sofort gemerkt hat. Jetzt sorgt er sich. Und das stresst mich irgendwie noch mehr.«
»Wir haben heute super gelernt«, rede ich beruhigend auf sie ein. »Du hast keinen Grund, dich so verrückt zu machen.« Sie nickt und eine Träne rollt über ihr Gesicht.
»Nach der Konsultation bei Dr. Gode wird es mir besser gehen«, haucht sie. »Er hat mir eine Einzelberatung versprochen, in der ich alles zu meiner Spezialprüfung fragen darf. Wenn ich weiß, dass ich die Herzchirurgie schaffen kann, dann entspanne ich mich sicher endlich.«
»Aber wenn es danach auch nicht besser wird, gehst du zum Arzt«, verlange ich. »Versprich es mir!«
Isa nickt. »Muss ich ja«, flüstert sie. »Sonst falle ich durch. Ich könnte es nicht ertragen, wenn meine Nerven mir jetzt alles verderben.«
»Für heute«, sage ich entschieden, »sind die Worte Nerven und Prüfung sowie jedwedes medizinisches Vokabular in Schrift und Bild verboten. Du gehst jetzt zu Bett und kannst froh sein, dass ich die Selbsthypnose-mit-Dr.-Heinrich-CD nicht mehr finde!«
Stattdessen setze ich mich neben ihr Bett, damit sie nicht doch noch ein Lehrbuch aufschlägt. Fünf habe ich aus ihren Laken gefischt, alle um ihr Kopfkissen herum verteilt. Wie soll man denn auch unter solchen Umständen ein Auge zutun?!
»Du musst doch auch schlafen«, seufzt Isa. Ich schüttle nur den Kopf. Es käme mir gemein vor, ihr zu sagen, dass ich mich so wach und ausgeruht fühle wie seit Jahren nicht.
»Ach, Lena«, flüstert Isa. »Ich wünschte, es wär endlich vorbei.«
Ich wünschte das auch. Aber die richtig böse Phase hat noch gar nicht angefangen.
G ucken Sie nicht, als hätten Sie all ihre Kraft schon für den Weg hierher aufgebraucht«, mäkelt Schwester Marianne, als wir zum Dienstbeginn der Nachtschicht an ihren Tresen treten. Sie meint Isa. Auch Jenny und ich haben vorhin vorsichtig angefragt, ob sie tatsächlich weiter im Nachtdienst arbeiten möchte, wenn das Lernen sie schon so belastet.
Isa aber behauptet, sich im OP nicht so überfordert zu fühlen wie über ihren Büchern. »Es tut mir gut«, hat sie beteuert. »Dort merke ich wenigstens, dass ich schon IRGENDWAS kann.«
Wir haben uns also überzeugen lassen, dass die Nachtschichten bei ihr eher Druck abbauen. Und sind umso mehr verärgert über Schwester Mariannes blöden Empfangsspruch. Ein kurzer Blick über den Tresen genügt: Tablet-PC, Film.
»Und wie gucken SIE?«, frage ich böse. »Pausenlos? Reicht IHRE Kraft nicht mal dafür, Ihren Film anzuhalten, während Sie die Nachtschicht begrüßen?«
Isas entsetzter Blick ist unnötig; ich weiß, dass ich zu weit gegangen bin. Marianne hält den Film nicht an, als sie uns beleidigt die Aufgabenverteilung für die Nacht zufaucht. Aber das musste sein. Und zum Glück habe ich ihre miese Laune nun auf MICH gezogen und Isa kriegt davon wenigstens nichts mehr ab.
Ich bin heute wieder in der Inneren eingeteilt. Nein, ich unterstelle nicht, dass Tobias das extra so organisiert – aber er hat ebenfalls Dienst. Hat er denn überhaupt kein Leben? Reagiert er vielleicht nur deswegen so angespannt darauf, dass ICH dieWaage zwischen Beruf und Privatleben grade so hervorragend ausbalanciert kriege?
Ich beginne die Nachtschicht, solange alles ruhig ist, mit einem Besuch bei Herrn Pflüger. Er grinst, als ich den Raum betrete.
»Wie schön, dass Sie kommen! Ich hatte solche Sehnsucht nach Ihnen! Kein anderer Arzt konnte mit Ihrer Visite mithalten!«
»Wenn Sie mir das vergelten wollen«, flachse ich, »geben Sie mir das schriftlich – ohne dazuzuschreiben, WODURCH sich meine Visite ausgezeichnet hat!«
»Das ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann«, lächelt er. »Haben Sie schlimmen Ärger gekriegt?«
Ich schüttle den Kopf, Herr Pflüger ist beruhigt. Ich werfe einen Blick in seine Akte. Bald hat er es geschafft, in wenigen Tagen wird er entlassen. Sein Leben wird nicht einfacher sein, weiterhin muss er mit dem Herzfehler leben, sich schonen, einige Dinge und Erlebnisse werden unerreichbar bleiben. Aber trotzdem muss er sich dann wenigstens nicht mehr Tag und Nacht langweilen – auch wenn ihm keiner Akrobatik-Tricks zeigt.
»Und wissen Sie«, lacht er, als ich das sage, »manche Dinge, von denen ich dachte, ich
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