Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
meine deutlich besseren Antwortkonter im zweiten Teil – und dann fällt mein Blick auf die Thermotasse auf dem Tisch.
Dass Tobias vergessen hat, sie mitzunehmen, deute ich als Schicksalswink: Ich soll noch einmal zu ihm gehen. Mit seiner Tasse als Vorwand – und dem Ziel, ihm deutlich zu sagen, dass ich seine Fragestrategie durchschaut habe und unmöglich finde. Dass ich natürlich vollkommen darüberstehe. Aber trotzdem.
Hocherhobenen Hauptes marschiere ich zu seinem Büro.
»Ich habe doch noch eine Frage«, sage ich selbstbewusst, als er die Tür öffnet. »Habe ich mir irgendein Sternchen verdient?«
Er sieht mich an – und lächelt unmerklich. Warum das denn?! Er soll sich entschuldigen! Oder erklären!
»Es tut mir leid, wenn du dich überfordert gefühlt hast«, sagt er. »Aber ich möchte, dass du bestmöglich vorbereitet bist.«
»Auf die schwerste Prüfung, die hier jemals gehalten wurde?«, frage ich bissig. Er soll nur nicht denken, ich sei nicht mehr wütend! »Denn deine Fragen lassen darauf schließen, dass meine Prüfung etwa tausendmal schwieriger sein wird als die der anderen.«
»Falls das so gewirkt haben sollte«, sagt er, ohne eine Miene zu verziehen, »dann nur, weil ich von dir eben mehr erwarte.«
Na toll! Will er mir die vergangenen fünf Folter-Stunden jetzt als Auszeichnung verkaufen?! Es gefällt mir nicht, dass er so selbstzufrieden wirkt, aber mir fällt auch nichts ein, was sich darauf entgegnen ließe – ich kann ihm ja schlecht sagen, er möge bitte nichts von mir erwarten.
»Danke«, sagt er und nimmt mir die Tasse aus der Hand. Man könnte wirklich denken, er hätte sie absichtlich vergessen, damit ich sie ihm herbringe.
»Und bis bald. Versuch inzwischen, ein bisschen mehr zu arbeiten, als du dich amüsierst, ja?«
Damit schließt sich seine Tür, ohne dass ich dazu gekommen wäre, noch irgendwas zu antworten. Obwohl mir jetzt eine Menge prima Entgegnungen einfallen: »Versuch du inzwischen, herauszufinden, was dich etwas angeht!«, könnte ich zu seiner geschlossenen Tür sagen. Oder: »Wie bitte? DU amüsierst dich doch den ganzen Tag!« Bloß klopft man für so was ja nicht noch mal an. Also gehe ich … aber nur umso fester entschlossen, ihm beim nächsten Mal zu beweisen, dass ich einfach auf ALLES die passende Antwort habe – sowohl auf fachliche als auch auf alle privaten Unverschämtheiten.
In der nächsten Konsultation werde ich unschlagbar sein.
S o, Mädels, heute geht’s los!«, trompetet Jenny in die morgendliche Küche – so laut, dass Isa zusammenfährt und ihr Tee aus der Playmo-Tasse auf den Tisch schwappt. Auch ich bin noch nicht munter genug für diese wilde Energie. Normalerweise ist Jenny um diese Uhrzeit überhaupt noch nicht wach. Aber heute ist sie es. Kreisch-wach. Voller Tatendrang. Sie eilt durch die Küche, schenkt Kaffee ein und dreht das Radio auf.
»Los, los, wir haben keine Zeit zu verlieren. In 70 Tagen ist Prüfung!«
Ich weiß nicht, was ich erstaunlicher finden soll: Dass sie 70 Tage vorher anfangen will, richtig zu arbeiten – und nicht erst sieben Tage vor dem Examen? Dass sie nicht einfach nur anfängt – sondern auch noch um acht Uhr morgens? Wie kommt das?!
Jenny grinst etwas verschämt. »Ehrlich gesagt habe ich heute Nacht mal ausgerechnet, wie viel ich wohl noch lernen muss. Wenn ich alles Notwendige einmal gelesen haben will, muss ich etwa 6000 Seiten lesen. Das sind 85 Seiten am Tag – und deshalb fange ich heute an.«
»86«, widerspricht Isa automatisch, dann stockt sie. »Du hast noch NICHTS gelesen?! Du hast einen ganzen Monat verschenkt?!«
Jenny erklärt verlegen, dass sie in den letzten Tagen an unserem Küchentisch noch einen Roman zu Ende lesen musste … »Aber ich hab doch grad gesagt, dass es genau ausreicht, wenn ich heute anfange«, verteidigt sie sich. »Also los jetzt!«
Es wäre nur demotivierend, ihr zu sagen, dass ich an einer Seite manchmal eine halbe Stunde sitze. Ich will ihre Energie nicht bremsen; wer weiß, wie lange die vorhält. Auch wenn sie nur zehn Seiten am Tag schafft, ist das auf jeden Fall mehr, als wenn sie gleich aufgibt. Vielleicht reicht es für einen groben Überblick. Den Rest muss sie mit Glück, Frechheit oder Cleverness wettmachen. Nur jetzt sollten wir keine Zeit mehr verlieren.
»Hol deine Bücher«, sage ich und Jenny flitzt tatsächlich los. Mit einem Knall lässt sie die Lehrwerke auf den Tisch fallen. Band 1 – 40. Wenn schon, denn schon. Dann
Weitere Kostenlose Bücher