Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
Dann wäre ich wenigstens als die PJlerin in Erinnerung geblieben, die selbst die schwierigsten Fragen parieren konnte … ( »Sie hat ihr Leben für die Medizin gegeben.«, »Das enorme Wissen hat einfach ihren Körper gesprengt.«) … und nicht als Totalversagerin.
Dass auch die anderen eine Menge mit den Schultern zucken müssen, ist nur ein kleiner Trost. Denn ich weiß genau, dass es hier nicht um die anderen geht. Nur um mich.
»Lernen Sie morgen Nephrologie«, sagt Tobias zum Abschluss. »Da haben Sie noch wesentliche Defizite.« Er sieht alle an – aberich weiß, dass er mich meint. Nur kann ich in Gegenwart der anderen schlecht antworten, was ich im Moment für SEINE Defizite halte. Lässigkeit im Umgang mit Ex-Geliebten. Lernen Sie das morgen, Herr Oberarzt, ich habe diese unangenehm mehrdeutigen Begegnungen nämlich satt.
Als Tobias seine Unterlagen zusammenpackt, schleichen wir alle aus dem Raum wie nach einer 30-Tage-Polarexpedition. Und ich bin so erschöpft, dass ich froh sein kann, überhaupt noch schleichen zu können. (Bei MEINER Polarexpedition saßen nämlich die Hunde im Schlitten und ICH habe gezogen. Fett gefütterte Bernhardiner mit Bleirucksäcken.)
Die Kraft reicht nicht mal mehr für eine hitzige Geteiltes-Leid-Beschwerde-Diskussion, wir wechseln nur mitleidige Blicke und, ja, ich ernte die meisten. Aber was nutzt mir das?!
Während die anderen sich bei einer Zigarette erholen (Jenny) oder die hastig und abgekürzt hingekritzelten Mitschriften ergänzen (Isa), beschließe ich, meine Wut zu konservieren, bis ich wieder sprechen kann … und dann schnurstracks zu Tobias’ Büro zu marschieren, um sie freizulassen.
Leider wird mein Vorsatz auf dem Weg zu seinem Büro immer dünner und dünner. Vielleicht kühlt durch die schnellen Schritte auch die Zugluft meinen Kopf etwas ab. Ich werde langsamer. Das kann es ja auch nicht sein, oder?! Dass ich jedes Mal nach der Konsultation bei ihm antanze wie die beleidigte In-allen-anderen-Fächern-Klassenbeste bei der Sportlehrerin?
Nein, diesmal stehe ich wirklich drüber. Ich mache kehrt. Und stehe – statt über den Dingen – Tobias gegenüber. Er lächelt.
»Tut mir leid, ich hab noch ein paar Unterlagen in den Arztraum zurückgebracht. Deshalb konnte ich nicht so schnell in meinem Büro sein wie du mit deiner Beschwerde.«
Hm. Peinlich. Jetzt komme ich mir doch vor wie die unsportliche Streberin. (»Bei allen anderen Lehrern habe ich Einsen. Und meine Mama sagt, wenn Sie mir eine Vier geben, versauen Sie mir das Zeugnis.«) Könnte ich nicht schnell irgendwas anderes vorschützen? Ich bin nur hier, weil …
Er sieht, dass mir auf die Schnelle nichts anderes einfällt. Und zeigt schon wieder sein amüsiert-distanziertes Oberarzt-Lächeln. »Wir haben doch darüber gesprochen, Lena.«
Eben! Und du hast gesagt: »Tut mir leid, wenn es dir so vorkam!« Das heißt: »So war es aber nicht« und »Ich werde mich bemühen, dass du beim nächsten Mal nicht denselben Eindruck bekommst!« Also: WARUM?!
»Ich möchte, dass du mehr kannst«, sagt er knapp. »Nein, ich weiß, dass du mehr kannst. Und möchte nicht, dass du dich mit dem Notwendigsten zufriedengibst.«
Dem Notwendigsten?! Dass ich sechs Wochen vor der Prüfung Fragen beantworten kann, mit denen andere ihren Professorentitel verteidigen?! Nur ein EINZIGES Sachgebiet noch nicht parat habe?
Na schön. Jetzt bin ich doch wieder wütend. Und zwar so richtig.
»Schade, dass du das nötig hast«, fauche ich. »Aber beim nächsten Mal findest du NICHTS, was ich nicht kann!«
Er nickt. Na bitte.
Und nun werde ich gehen. Und die blöde Niere auswendig lernen. Anatomie und Physiologie und all ihre möglichen Erkrankungen. Okay, vielleicht nicht mehr heute. Weil ich doch grade erst von dieser Bernhardiner-Zieh-Expedition zurückgekehrt bin.
Tobias sieht mich an und fragt plötzlich: »Wann hast du zum letzten Mal geschlafen, Lena?«
Heute Nacht. Ich hab sehr gut geschlafen. Bei meinem Freund. Am Morgen war ich topfit. Bis du kamst. Mit deiner bescheuerten Nephrologie.
»Ich bin nicht müde«, antworte ich knapp.
Tobias’ Tonfall wird ebenfalls kühler. »Vielleicht bist du nicht müde«, sagt er. »Aber du bist unkonzentriert. Die Pankreatitis-Anzeichen kennst du. Du hattest im ersten Tertial eine Patientin mit dieser Diagnose.«
Ja. Nicht, dass ich mich nicht daran erinnere. Eine Polizistin mit Pankreasinsuffizienz und einer Vorliebe für anzügliche Witze. Ich könnte
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