Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
an.
»Entschuldigung«, sagt sie wie ein guterzogenes kleines Mädchen, das im Beisein einer fremden Tante geniest hat.
Wir starren sie an, immer noch sprachlos. Jenny zerrt ein zerknautschtes Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche und zündet sich eine an. Und nicht mal Isa sagt etwas dagegen. Uns ist beiden klar: Das hier hatte nichts mit uns zu tun.
»Was ist los?!«, frage ich. Jenny schüttelt den Kopf. Doch ich finde, wer sich derart laut anschreien und beinahe mit Essen bewerfen lassen musste, hat ein Recht darauf, den Grund dafür zu erfahren – und sehe sie so lange an, bis sie antwortet.
»Nichts«, sagt Jenny. »Beinahe nichts.«
Dann schweigt sie einen Moment, pustet Rauchkringel und sieht ihnen nach.
»Felix hat mich betrogen.«
Wir sind beide überfordert. Jenny ist es ebenfalls. Ich dachte immer, bei einer solchen Eröffnung gäbe es nur eine angemessene Freundinnen-Reaktion: »Dieser Mistkerl«, unendliches Mitleid und »Schmeiß ihn raus«. Aber so ist es nicht. Nicht bei Felix.
Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass er das getan haben soll. Aber in diesem Punkt gibt es keinen Zweifel.
Endlich erfahren wir die ganze Geschichte. Felix hat auf dem Klassentreffen seine erste große Liebe wiedergetroffen. »Nadja.« Jenny spricht den Namen mit so viel Schmerz aus, wie eine tödliche Diagnose.
Drei Jahre hat Felix damals für sie geschwärmt, vergeblich. Dann haben sich ihre Wege getrennt. Und nun, als sie sich wiedertrafen, sind plötzlich die alten Gefühle wieder aufgeflammt. Ein Abend voller Erinnerungen … jede Menge Rührseligkeit und Alkohol … und Felix ist mit Nadja im Bett gelandet.
»Er sagt, es war wie eine Zeitreise.« Jenny lächelt knapp und bedrückt. »Plötzlich wieder mit den alten Freunden, den ganzen alten Geschichten. Aber diesmal ist alles anders, tausendmal besser, weil du erwachsen und cool geworden bist. Wie eine perfektoptimierte Variation deiner Vergangenheit.«
Jenny zündet sich die nächste Zigarette an und schweigt. Wir wissen nichts zu sagen. Ein: »Ja, das verstehe ich auch« wirkt ebensounangebracht wie: »Du kannst doch dafür kein Verständnis haben«. Außerdem weiß ich gar nicht, für welchen der beiden Sätze ich mich entscheiden würde.
Jenny schiebt abwesend den Pinienkern-Tomaten-Eier-Matsch mit dem Fuß aus ihrem Sichtfeld und unter den Tisch, eine mechanische Bewegung, die sie teilnahmslos wiederholt, selbst als die Stelle vor ihrem Stuhl schon makellos sauber ist und glänzt.
»Ich kann diese Nadja sogar irgendwie verstehen. Ist doch klar: Da kommt plötzlich dieser attraktive Typ auf seinem Motorrad daher, witzig und lässig, tätowiert und trotzdem niedlich – und du fragst dich, warum du DEN nie wahrgenommen hast. Und dann gesteht er dir zu fortgeschrittener Stunde, dass er drei Jahre lang auf dich stand …«
Sie zündet eine neue Zigarette an der alten an und zerquetscht die aufgerauchte mit solcher Kraft im Aschenbecher, als ob sie sie nicht nur ausdrücken sondern ermorden müsste. »Ich hasse sie natürlich trotzdem«, sagt sie. »Grade deswegen.«
Wir nicken beide. Wir hassen sie wenn irgend möglich noch mehr. Aber Felix? Müssen wir jetzt auch Felix hassen? Sollten wir? Können wir das?
»Und jetzt?«, frage ich ratlos. Jenny seufzt. Die Stelle vor ihrem Stuhl, die sie immer noch wie automatisch mit ihrer inzwischen schon nicht mehr klebrigen Socke poliert, ist mittlerweile ganz blank.
»Wieso hast du ›Alles okay‹ gesagt?«, erkundigt sich Isa leise.
»Weil es das ist«, antwortet Jenny. »Nein, ist es nicht. Aber es wird wieder. Es muss.«
Das ist nichts weniger, als ich mir wünsche. Aber kann Jenny das wirklich? Ist das etwas, was man wieder hinkriegt?
»Er hat gesagt, dass er erst mal Zeit brauchte, um seine Gefühle zu sortieren«, erzählt Jenny. »Deswegen hat er sich nicht gemeldet. Aber jetzt, sagt er, ist er sich sicher. Dass er mich liebt. Und Nadja nur eine Art Seifenblase war …«
Jeder, der Felix mit Jenny erlebt, ist sich sicher, dass er sie liebt.Ich war es bis vor wenigen Stunden auch. Aber wenn man jemanden liebt, dann geschieht so was doch nicht einfach. Egal, wie die Umstände sein mögen.
Wie gesagt: Meine Gedanken sind immer genau dann ohne Untertitel lesbar, wenn ich sie NICHT mitteilen möchte. Jenny sieht mich an, als hätte ich meinen Einwand an die Küchenwand gebeamt.
»Lena, wir sind keine 15 mehr. Und keine Figuren aus einem viktorianischen Liebesroman. Solche Dinge
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