Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
Schreibtisch verbracht hat. Aber sie reagiert und funktioniert, wenn es drauf ankommt, vielleicht besser als wir alle.
»Ja«, sage ich entschieden. »Das kann ich absolut.« Sie betrachtet ihr Arztspiegelbild und wirkt berührend zufrieden.
»Na dann«, sagt sie, »tun wir unser Bestes, damit wir alle drei in Arztkitteln Eindruck machen können!«
Mit Isas Größe sind wir unsicher; die kleinen Kittel spannen vielleicht am Bauch, die großen werden zu lang sein. Jenny stopft sich schließlich einen der Auslage-Kittel unter den Pullover – und nach dieser modifizierten Anprobe gelingt es uns, einen passenden Kittel zu finden.
»Möchtest du den mitnehmen, da ihr nun schon so aneinander gewöhnt seid?«, frage ich, als Jenny den Bauch-Kittel unter dem Pullover hervorzieht. Sie schüttelt den Kopf. »Schwester Mathilde gibt mir einen. Aber was ist mit dir?«
»Ich hab schon«, sage ich – und dann gehe ich schnell zur Kasse voraus, ehe sie nachfragen kann, woher.
»Das ist wirklich süß von euch!« Isa ist gerührt, als sie den Kittel auspackt. »Wenn ich nächstes Jahr wieder reinpasse, werde ich ihn mit Stolz tragen und die ganze Zeit an euch denken.«
»Du passt jetzt rein«, erkläre ich. »Wir haben ihn mit Bauch probiert.«
»Aber jetzt«, sagt Isa entschieden, »brauche ich ihn nicht.«
Wir sind beide enttäuscht. Aber es war ja auch nur eine ganz kleine, blöde Idee.
Den Abend verbringe ich bei Alex und trotzdem an meinem Schreibtisch. Er hat ihn mir tatsächlich übereignet, ihn abgeräumt und das Schild angeschraubt. Und er schleicht leise durch die Wohnung, während ich arbeite. Es ist urgemütlich.
Ich darf mich nur nicht zu sehr daran gewöhnen. Ich lerne nur heute Abend hier, weil Jenny bei Felix ist. Morgen früh muss ich wieder zu Hause pauken. Meine geschrumpfte Lerngruppe braucht mich. Wenn ich nicht da bin, wird Jenny vielleicht kein Buch aufschlagen. Oder jedes gleich wieder zu.
Als ich morgens in die Wohnung zurückkomme, sitzt Jenny am Küchentisch. Ohne Buch. Damit habe ich gerechnet. Mit dem anderen nicht: Sie weint.
»Es ist aus«, sagt sie, als ich mich zu ihr setze. »Endgültig.«
Es braucht zwei Kaffees, bis ich erfahre, dass Felix sich von ihr getrennt hat. Weil er es nicht mehr aushält.
»Ihr wart schon zweimal getrennt«, tröste ich. »Er liebt dich. Ihr habt es immer wieder hingekriegt. Alles.«
Jenny schüttelt den Kopf. »Diesmal nicht.«
Jenny ist so am Boden zerstört, dass sie nicht einmal schönfärbt, was sie getan hat.
Sie hat Felix’ Handy durchsucht. Um endlich Nadja zu sehen. Und er hat sie dabei ertappt.
»Er hat Schluss gemacht«, sagt Jenny. »Das ist der Unterschied. Er hat alles ausgehalten. Wenn ich ihn weggeschubst habe. Dass ich ihn zwischendurch los sein wollte. Aber das … Das kann er nicht. Er erträgt es nicht mehr, sagt er. Es ist vorbei.«
Ich weiß nichts zu sagen. Es tut mir unendlich leid. Aber was hilft ihr das?!
»Lernen«, rät Isa, die seit Wochen kein Lehrbuch mehr aufgeschlagen hat, etwas später. »Arbeiten und nichts als arbeiten. Das hilft.«
Jenny schüttelt nur wieder den Kopf, schweigt.
»Jenny, du musst jetzt durchhalten«, beschwöre auch ich sie. »Versuch es auszublenden. Irgendwie aufzuschieben. Aber du musst weiterlernen.«
Wieder ist ein Kopfschütteln alles, was wir bekommen. Irgendwann steht Jenny auf und geht ins Bett. Den Rest des Tages kommt sie nicht mehr heraus. Isa kocht ihr Tee, den Jenny wortlos verschmäht.
»Lern du wenigstens«, sagt Isa, als sie zu mir zurückkommt.
Aber ich kann mich so wenig konzentrieren, dass ich nicht den Sinn eines einzigen Wortes begreife.
Wir versuchen drei Tage lang, Jenny wieder auf die Beine zu ziehen. Zehn Tage vor der schriftlichen Prüfung. Vergeblich.
Zwischendurch nehme ich immer wieder Anlauf, um wenigstens ein paar Seiten zu lesen. Doch ich fange dieselbe Seite immer wieder von vorne an.
Als wir Felix anrufen, sagt er, dass er nichts tun kann. Er kann nicht mehr. Nicht jetzt. Dasselbe sagt er zu Alex. Es ist hoffnungslos. Und Jenny hat vollkommen den Halt verloren, liegt seit drei Tagen bei geschlossenen Vorhängen im Bett wie eine Todsterbenskranke.
Am vierten Tag schaffe ich es wenigstens, ein Kapitel zu Ende zu lesen. Bei Alex. An »meinem« Schreibtisch.
Ich fühle mich nicht gut dabei, Jenny allein zu lassen. Aber Isa bleibt bei ihr.
»Ich möchte, dass wenigstens eine von uns es schafft«, sagt sie zu mir.
Ich bin allein. Übrig.
Die
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